Märchen-Theater in der Grundschule (Vorschule und 1. Klasse)
Vor kurzem habe ich mit zwei weiteren Projekten in der Grundschule begonnen und berate jetzt insgesamt drei Grundschulkolleginnen, die gerne das Theaterunterrichten lernen möchten.
In einer Vorschulklasse und einer 1. Klasse haben wir das gleiche Märchenprojekt gestartet. Es geht wieder darum, ein Muster zu entwickeln, das einen Rahmen vorgibt, den die Lehrkraft mit ihrer Klasse mit eigenen Ideen und kreativer Gestaltung füllen und ihrer jeweiligen Klasse anpassen kann.
Ausgangspunkt in beiden Klassen ist das Märchen von Hänsel und Gretel. Warum gerade dieses Grimm-Märchen?
- Es beinhaltet eine klare Geschichte, einen Plotpoint.
- Es enthält die Grundstruktur eines klassischen Musters Abenteuer-Erzählung.
- Es eignet sich als Stationen-Theater.
- Es gibt ein Lied dazu.
- Es ist beliebig mit Abenteuern von Hänsel und Gretel aufzufüllen.
Für die Erstbegegnung der Kinder mit dem Theater-Machen ließ ich Professor Theatorius, eine Marionette, auftreten. Der Professor erzählte kurz, was es mit den Brüdern Grimm und ihren Märchen auf sich hat, verwies dann aber alsbald an der Kerl oberhalb von ihm, der die Fäden in der Hand hält. Der solle doch einmal das Märchen erzählen, weil er das nicht so gut könne. Man kann aber auch eine Klappmaul-Puppe diesen Part spielen lassen.
Im Sitzkreis erzählte ich recht frei die Grundgeschichte mit ein paar Ausschmückungen ohne das Ende zu verraten, das aber schon einige Kinder kannten.
Zur Gitarre sang ich mit ihnen die beiden ersten Strophen, wobei auch hier schon einige Kinder mitsingen konnten.
Anschließend folgte die Instruktion, dass wir in der Klasse die Abenteuer von Hänsel und Gretel als Theater spielen werden, die nicht im Märchenbuch enthalten sind (Verweis auf die unzuverlässige mündliche Überlieferungstradition).
Das erste Abenteuer bestand darin, dass Hänsel und Greten, gespielt von zwei Kindern, einen Fluss überqueren mussten. Sie hatten dazu zwei Pappen (Tücher, Teppichfliesen o.Ä.) und mussten nun zu zweit, ohne das Wasser zu berühren, mit diesen zwei „Brettern“ über den Fluss.
Im Fluss gab es allerlei gefährliches Getier, das Hänsel und Gretel die Aufgabe etwas erschwerte, sie aber nicht berühren durften. Die Kinder erfanden Flussmonster und spielten sie auch entsprechend.
Grundlegendes Muster dieser Aufgabe ist die Übung „Teppichfliesen-Rennen“.
Nachdem Hänsel und Gretel erfolgreich das andere Ufer erreicht hatten, stellten sich alle Akteure dieses Abenteuers in Linie (also nebeneinander) zur Applausordnung auf, verbeugten sich und erhielten entsprechenden Applaus von der am Rand sitzenden Gesamtgruppe.
Noch mehrmals bewältigten jeweils andere Akteure dieses Abenteuer (Rollentausch), so dass es auf diese Weise immer weiter ausgestaltet wurde und neue Facetten erhielt, und alle Kinder auch unterschiedliche Rollen spielen konnten. Das mehrmalige improvisierte Durchspielen eines Abenteuers erzeugte eine kreative Atmosphäre, in der immer wieder neue Ideen geboren und sofort umgesetzt wurden. Bedeutsame Themen traten dabei in den Vordergrund: Wie helfen sich Hänsel und Gretel gegenseitig? Wie agieren ihre Gegenspieler auf theatralisch-ästhetische Weise? Was heißt So-tun-als-ob? Wie und wodurch wird Spannung im Spiel und in den Aktionen erzeugt? Worin liegt der Spaß für das Publikum? Usw.
Im nächsten Schritt wurden die wesentlichen Elemente dieses Abenteuers rekapituliert, bedeutungstragende Wörter festgehalten und daraus eine Strophe des Liedes entwickelt, das am Ende gemeinsam gesungen wurde (chorische Aktionen).
Die nächsten Abenteuer folgten diesem Muster, sodass die Kinder nach und nach eine Anschauung des Theater-Machens durch eigenes Erleben und einige Grundbegriffe erlernen konnten. Gleichzeitig übten sie grundlegende Kompetenzen und kulturelle Regeln und Rituale, mit Menschen in ästhetischen Prozessen miteinander umgehen sollten.
Das zweite Abenteuer folgte dem Muster „Pilot und Lotse“ (vgl. CD Theaterübungen, 1.5.31 Pilot und Lotse, S. 207), wobei Hänsel und Gretel mit verbundenen Augen durch einen Zauberwald gehen mussten, in dem zahlreiche Hindernisse (Kinder mit unterschiedlichen Aufgaben) auf sie warteten. Sie folgten einer Vogelstimme (ein Schüler) am Ende des Parcours.
Im dritten Abenteuer mussten Hänsel und Gretel zusammen auf ein am Boden liegendes Seil über eine Schlucht balancieren und wurden dabei von Flugsauriern erschreckt.
Dieses Muster lässt sich beliebig weiter füllen. Zu jedem Abenteuer wird eine Liedstrophe erfunden, die gesungen, gerapt oder mit Klangkörpern begleitet wird.
Kinder erfinden neue Abenteuer von Hänsel und Gretel und schreiben sie auf Karten:
Das Ende können die Kinder beliebig gestalten, z.B. ein herzlicher Empfang beim Heimkommen und alle singen das gesamte Lied als Erzählung von Hänsel und Gretel. Der Schritt zu einem kleinen Musical ist dann nicht mehr weit. Wie eine Schlussperformance aussehen kann, in der ein Lied als Grundlage dient, auf dem sich einzelne Schüler exponieren können, zeigt diese Aufführung.
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