Hohe Luft. Ein gelungener Name für eine Philosophie-Zeitschrift. Ich habe einige Ausgaben durchgelesen und werde weiter lesen. Warum? Weil ich in vielen Artikeln das (wieder)finde, was ich nicht aktuell gesucht habe, mich aber schon immer, zumindest schon länger bewegt, als Mensch und als Theater-Lehrer, und die Autoren geben sich große Mühe verständlich zu schreiben. Sie verstecken sich nicht hinter Formulierungsgeschwurbel.
Meine ersten Fragen nach Sein und Sinn wurden von meinen Eltern nur unbefriedigend beantwortet. Schule half auch nicht sonderlich weiter. Im Studium gab es schon mehr Futter und Optionen. Nun bewegt mich seit geraumer Zeit auch noch die Frage nach der Kulturform Theater und ihrer Rolle in menschlichen Gesellschaften, insbesondere als kulturelle Bildung bei Kindern und Jugendlichen.
Warum denke ich hier, in einem Blog über Schultheater, laut über eine neue Philosophie-Zeitschrift nach? Nun, es ist eigentlich ganz einfach. Viele Autoren haben offensichtlich das Ganze im Blick, ohne sich in den Einzelteilen zu verlieren. Und sie sind im Besitz von Landkarten, oder mit anderen Worten, sie kennen die Texte von Philosophen. Sie schauen aus hoher Luft auf die Niederungen des alltäglichen Handelns.
Im Philosophischen Manifest „Verändern wir die Welt!“ in Ausgabe 5/ 2015 sagen eine Denkerin und ein Denker in 10 Kurzstatements, was Philosophie heute sein sollte. Ich muss ständig dabei an Theater denken. Und an mich. Die Philosophie-Autoren stellen oft die gleichen Fragen an die Welt wie das Theater. Und ihre Antworten weisen in eine ähnliche Richtung. Sind Philosophie und Theater dasselbe oder das Gleiche? Eher nicht. Aber blickt Theater nicht auch von den hochgelegten Brettern oder heutzutage auch schonmal mitten im Publikum auf die gleichen Zusammenhänge und stellt ähnliche Fragen? Ich stelle mir solche Fragen, als Mensch und als Theaterlehrer. Jaja, es heißt immer, Theater gebe keine Antworten. So´n Quatsch! Wer geht ins Theater, um sich Fragen anzuhören. Natürlich wollen wir Antworten. Zumindest Fingerzeige.
„Philosophie soll sich als Tätigkeit begreifen“ (Reinhard), sie besitze das Handwerkszeug in einer zunehmenden unübersichtlicheren Welt eine „grundsätzliche Orientierung“ (Hürter) zu geben. Um begriffliche Schärfe, um das Abklopfen von Argumenten und Positionen, ums Ausprobieren und Experimentieren geht es.
Philosophie begreift sich als „Teil der sozialen Praxis“ (Vašek) und „soll sich der Macht der Bilder stellen“ (Reinhard). Philosophen sollen vorleben, wofür sie argumentieren, sich mit digitalen Lebensformen beschäftigen und letztlich die Welt verändern. Dieser Ansatz Welterfahrung auf Theaterunterricht bezogen hat eine totalitäre Sichtweise, wie sie bei Wiese noch 2006 nachzulesen ist, überholt, dass „entscheidende Bedingungen für optimale Lernprozesse in den aktuellen Schulstrukturen nicht gegeben“ seien. Es hat sich viel getan in knapp 10 Jahren. Sehr schön auch bei Klepacki zu lesen, was noch 2004 für Schule und Theater galt und in welche Richtung sich Schultheater in kurzer Zeit weiterentwickelt hat, auch wenn wir noch weit von optimalen Bedingungen entfernt sind und durch Abituranforderungen und Curriculumschreiber im Dienste der Schulbehörde teilweise Rückschläge drohen ins Theorie-Bulimie-Lernen.
Das Manifest lese ich in großen Teilen wie ein Manifest für das Schultheater und Theaterunterricht, wie eine Beschreibung kultureller Bildung. Ach ja, neulich rief mich ein Journalist an und wollte für einen Artikel von mir wissen, was einen guten Theaterlehrer ausmacht. Ich habe nicht lange gezögert und gesagt: Eine ausgereifte Persönlichkeit … und pädagogische und künstlerische Kompetenzen natürlich auch, in der Reihenfolge.
Mit Hohe Luft habe ich – jedenfalls zuweilen – das Gefühl ein mehr oder weniger klareres Luftbild meiner alltäglichen Arbeit als Theaterlehrer zu erhalten und auch blinde Flecken zu entdecken.
Nicht allein das ABC
Bringt den Menschen in die Höh´
(Wilhelm Buschs Lehrer Lämpel in: Max und Moritz)
Ich kann die Zeitschrift nur empfehlen. Im Moment jedenfalls.
Quellen/ Weiterführendes
- Mol-Wolf, Katarzyna (Hg): Hohe Luft. Philosophie-Zeitschrift. Ausgabe 5/ 2015: Hamburg. Darin: Philosophisches Manifest: 21-27
- Deutsche Gesellschaft für Philosophie e.V. > http://dgphil.de/home/
- Klepacki, Leopold (2004): Schultheater. Theorie und Praxis. Münster: Waxmann
- Wiese, Hans-Joachim u.a.(2006): Theatrales Lernen als philosophische Praxis in Schule und Freizeit. Uckermark: Schibri
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