Freie und Hansestadt Hamburg 2018 (Hg): Theater entwickelt Sprache. Spiele und Übungen zur Sprachförderung mit theatralen Mitteln. Hamburg. 70 Seiten – Rezension
Theater ist umfassende Kommunikation, und zwar auf allen Kanälen. Dass die Sprache nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern meist nur in Kontexten verstanden wird, dürfte sich herumgesprochen haben. Insofern lädt hier natürlich ein weites Lernfeld Schüler und Lehrkräfte ein, dies zu beackern und auch Sprachförderung beim Theatermachen bewusster ins Auge zu fassen.
Theaterunterricht verfüge, so der Hamburger Senator für Schule und Berufsbildung Ties Rabe in seinem Grußwort, neben seiner Motivationskraft über „ein hohes sprachförderliches Potential“, das genutzt werden sollte, um Schülern das Rüstzeug zu geben, „eine erfolgreiche Schullaufbahn zu erleben“. Aus diesem Grund legt er im Hamburger Bildungsplan besonderen Wert darauf, „dass bildungssprachliche Kompetenzen im Unterricht aller Fächer systematisch aufgebaut werden“. (4)
Die Fachreferentin Theater Isabell Jannack folgert im Vorwort, wenn im Theaterunterricht die Sprachen des Theaters erlernt werden, könne er dazu beitragen, diese Sprachen „nicht nur kontextabhängig zu erlernen, sondern sie auch im gemeinsamen Gestaltungsprozess anzuwenden und zu üben.“ Eine der wesentlichen Erkenntnisse im Theaterunterricht sei deshalb, dass die gesprochene Sprache einer von mehreren Informationsträgern sei, der erst durch das Zusammenspiel mit den anderen Zeichensystemen (Ausstattung, Lichteinsatz, Raumnutzung) Bedeutung erlange. (6) Und man könnte ergänzen, dass die Sprache auch deshalb nicht „gleichrangig“ neben allen anderen Zeichen stehen kann, wie es die „Dekonstrukteure“ der sogenannten Postdramatik stoisch behaupten.
Inhalt
Grußwort 4
Vorwort 5
Zum Geleit 7
1 Theater in der Sprachförderung 8
2 Theater als Ausdrucksform 8
3 Theater im Kontext der Lebenswirklichkeiten von jungen Menschen 9
4 Lernen in Bewegung 9
5 Tipps zum Theaterspielen 9
6 Fachsprache Theater 10
7 Sprachförderung im Bildungsplan Theater 10
8 Zum Gebrauch der Karteikarten 11
Reihenfolge der Karteien – nach theatralen Gestaltungsschwerpunkten 14
Register der Karteikarten nach Kategorien der Sprachförderaspekte 14
Alphabetisch geordnete Liste der Übungen und Spiele 15
Piktogramme der Sozialformen 16
Sammlung der Karteikarten 17
Warm-up: Sprache 1–11 17
Warm-up: Körper 12–16 26
Ausdruck: Sprache 17–24
29
Ausdruck: Körper 25–30 35
Standbild 31–36 40
Figur 37–42 44
Requisit 43–46 47
Szene 47–56 49
Wörter und Texte 57–67 55
Alltagssprache 68–71 61
Dialog 72–76. 63
Lese- und Schreibanlass 77–80 66
Anhang 69
Mit den in der vorliegenden „Handreichung“ zusammengestellten Übungen zur Sprachförderung, die überwiegend in zahlreichen anderen Zusammenhängen bereits vielfach veröffentlicht und in unterschiedlichen Arbeitszusammenhängen erprobt wurden, wird auch der nicht in Theater ausgebildeten Grundschul-Lehrkraft eine kompetent zusammengestellte Sammlung zur direkten Nutzung als Karteikarten-Kopiervorlagen an die Hand gegeben. Der Nutzen liegt also in einer anwendungsbezogenen Aufbereitung von Material zur gezielten und verstärkten Sprachförderung in theatralen Arbeitszusammenhängen; sprich: Theaterunterricht auf niederschwelligem Niveau zum Erwerb von Grundlagenkompetenzen.
Wichtig ist den Autorinnen Ingrid Reinhard und Johanna Vierbaum, dass ihr Angebot zur Sprachförderung nicht als „systematisierte[r] Aktionismus“ missinterpretiert wird nach dem Prinzip „Übung folgt auf Übung folgt auf Übung“, um in „Checkboxen“ Häkchen zu setzen (Riedel: 28), wie es offensichtlich Lehrkräften unterstellt wird. Vielmehr muss es doch darum gehen, lernenden Schülern die Chance zu geben, Grundlagenkompetenzen zu erwerben, die ihnen erst ermöglichen, zunehmend selbstständiger theatral – und darüber hinaus ihr eigenes Leben – zu gestalten, wozu selbstverständlich eine angemessene Sprachkompetenz gehört.
Zu den jeweiligen Übungsbeschreibungen, die in besonderer Weise den Erwerb von Sprachkompetenz bei SchülerInnen während der Theaterarbeit fördern, werden geschickt und direkt umsetzbar hilfreiche Ideen beschrieben, wie die SchülerInnen unmittelbar das Gelernte in gestalterischen Zusammenhängen umsetzen können. Dabei erleben die SchülerInnen, wie ihnen die neu erworbenen Kenntnisse über Sprache und das neu erworbene Sprach-Können helfen, selbst zunehmend selbstständiger und kreativ theatral gestaltend aktiv zu werden. Wie sonst, wenn nicht auf diese Weise, sollten SchülerInnen Selbstwirksamkeit erleben und Selbstermächtigung in ästhetischen Prozessen spüren und genißen, die ihnen letztlich zu mehr Selbstbewusstsein und Empathie im Kontext mit anderen verhilft? Eine allürengesteuerte (Theater-)Lehrkraft, die beim Unterrichten mehr an die Befriedigung des eigenen Interesses denkt und deren Ziel eher eine Festivalnominierung ist, wo sie als Möchtegern-Regisseur-Zampano glänzen kann, ist sicherlich der falsche Weg.
By the way: Das 8. Kindertheaterfest 2018 in Minden zeigte auf eindrucksvolle Weise, welche grundlegende Bedeutung, das Üben und Trainieren theatraler Grundkompetenzen hat, um derartige Leistungen auf der Bühne zeigen zu können, wie es dort geschah (vgl. List 2018). Im Band 1 „Theater und Darstellendes Spiel in der Praxis – Erzähltheater“ werden weitere konkrete Hinweise und praktische Anregungen gegeben, in welcher Weise Schüler ihre Sprachkompetenz beim und durch Theater-Machen erweitern können.
Weiterführendes
- List, Volker 2018: Kindertheaterfest 2018 in Minden – ein Programm der Vielfalt und der Kontraste
- List, Volker 2017: Theater und Darstellendes Spiel in der Praxis. Band 1 – Erzähltheater. Hüttenberg: Angewandte Theaterforschung
- Riedel, Klaus 2018: Zwischen Zampanonien und Methoden-Boxistan. In: Friedrich Verlag (Hg) 2017: Kompetenz. Schultheater Nr. 28/2017. Seelze: Friedrich Verlag: 28
>>> Bestellung der Handreichung als kostenloser Download oder auf Papier gedruckt.
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