Mangold, Christiane (Hg) 2014: Bausteine Darstellendes Spiel. Braunschweig: Schroedel Verlag. 248 Seiten – Rezension
Einfach so losspielen? Geht auch, macht auch sicher Spaß, aber bleibt auch dilettantisch meist den bekannten Klischees verhaftet. Theaterspielen, wenn es eine gewisse Qualität haben soll, braucht „Grundkenntnisse, Erfahrungen und die Bereitschaft über die Arbeit nachzudenken.“
So wirbt amazon für das Buch. Und weiter:
„Das Übungsbuch für die Hand der Schülerinnen und Schüler führt mit kleinen, altersangemessenen Übungen, Aufgaben und Texten in das Fach Darstellendes Spiel ein.
Neben der praxisorientierten Auseinandersetzung mit den Mitteln des Theaters wie Körper, Sprache und Sprechen, Geräusch und Musik, Requisit und Kostüm, Maske, Licht und Bühne bietet der Band aufschlussreiche Interviews mit Vertretern der unterschiedlichen Theaterberufe sowie Vorschläge für Theaterprojekte, die im unterrichtlichen Rahmen umsetzbar sind. Kompetenzraster am Ende jedes Kapitels geben den Schülerinnen und Schülern Orientierung und die Möglichkeit der Reflexion über erworbene Fähigkeiten.“
Auf der Verlagsseite findet man weitere Hinweise:
„Der Band Bausteine Darstellendes Spiel ist als Arbeitsbuch für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I konzipiert, gibt darüber hinaus aber auch Lehrerinnen und Lehrern eine systematische Anleitung zur Unterrichtsgestaltung. Im Mittelpunkt steht die Einführung in den Umgang mit theatralen Mitteln und deren Wirkungsweise auf der Schulbühne.
Die zugehörigen Anregungen und Materialien bieten Lehrkräften:
- methodisch-didaktische Hinweise zu den Kapiteln
- Lösungen und Hinweise zu den Aufgaben
- Wissen kompakt
zusätzliche Materialien“
Es wird deutlich, Mangolds „Bausteine“ stehen in einer guten Tradition, Theater als gemacht und machbar zu sehen. Schon 1987 haben Bubner und Mienert in ihrem Buch „Bausteine des Darstellenden Spiels“ das System Theater in seine Bestandteile zerlegt und gezeigt, woraus es gemacht ist und wie im Zusammensetzen der Bausteine wieder Theater in seinen vielfältigsten Wirkungen entstehen kann. Kein Zauberwerk „genialer“ Regisseure, sondern erlernbar. Für jeden.
Inhalt
Der Anfang
Wir fangen an
Wir trainieren
Der erste Auftritt
Wir werden ein Ensemble
Überprüfe dein Wissen
Schätze deine Kompetenzen ein
Körper, Bewegung und Raum
Standbilder
Choreographien
Ästhetische Mittel
Statusspiele
Körper und Raum
Gruppenarbeit lernen
Feedback
Überprüfe dein Wissen
Schätze deine Kompetenzen ein
Stimme, Sprache, Text
Atmen, Stimme und chorisches Sprechen
Unsinnstexte werden lebendig
Vom Kurztext zum gestalteten Dialog
Vom literarischen Text zur eigenen Szene
Vom Dialog zur Szene
Eine literarische Szene inszenieren
Überprüfe dein Wissen
Schätze deine Kompetenzen ein
Geräusch und Musik
Geräusch
Einsatz von Instrumenten
Sprache als „Musik“
Wahrnehmungsbeeinflussung durch Musik
Musik und Szenen
Einsatz von Liedern
Überprüfe dein Wissen
Schätze deine Kompetenzen ein
Spiel mit dem Requisit
Spielgegenstände
Das Requisit als Mitspieler
Das Requisit als Gegenspieler
Das Requisit als Metapher
Aufbau einer Spielszene mit Requisiten
Spiel mit imaginären Requisiten – Pantomime
Überprüfe dein Wissen
Schätze deine Kompetenzen ein
Kostüm
Kleider machen Typen
Historische Kostüme
Das Grundkostüm
Kostüm – Farbe und Charakter
Form und Formgebung
Kostüm und Material
Kostüm und Bewegung
Überprüfe dein Wissen
Schätze deine Kompetenzen ein
Masken
Sich mit Masken vertraut machen
Training zum Spiel mit Masken
Spiel mit Masken
Halbmasken
Halbmaske und Text
Großmasken
Schminkmasken
Überprüfe dein Wissen
Schätze deine Kompetenzen ein
Bühne
Bühnenformen und ihre Wirkung auf das Spiel
Bühnenbilder
Abstrakte Bühnenelemente
Überprüfe dein Wissen
Schätze deine Kompetenzen ei
Licht
Die Aufgaben des Bühnenlichts
Das Ausleuchten einer Bühne
Beleuchtungsfahrplan und „Fahren“ einer Aufführung
Bühnenbeleuchtung mit geringen Mitteln
Überprüfe dein Wissen
Menschen und Berufe am Theater
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Deutschen Theaters in Berlin erzählen über ihre Tätigkeit am Theater
Über der Bühne
Ulrich Khuon, Intendant
Ulrich Beck, Dramaturg
Gaby Schweer, Leiterin Kommunikation und Pressesprecherin
Michael de Vivie, Künstlerischer Betriebsdirektor
Auf der Bühne
Philipp Löhle, Autor
Stephan Kimmig, Regisseur
Anne Ehrlich, Bühnenbildnerin
Alexander Khuon, Schauspieler
Hinter / Vor / Neben der Bühne
Kathrin Bergel, Inspizientin
Marek Sawitza, Leiter der Ton- und Videoabteilung
Andreas Müller, Chefmaskenbildner
Jens-Thomas Günther, Leiter der Requisite
Marco Scherle, Meister der Abteilung Beleuchtung
Theaterlexikon
Projekte
Auf der Suche nach dem verlorenen Lachen (Klasse 7)
r@usgemobbt (Klasse 7)
Täglich Löcher graben – Ein Tanztheaterprojekt (Klasse 8)
Ich – eine Bestandsaufnahme (Klasse 8/9)
„Deine Stadt“ – vormittags & nachmittags (Klasse 9)
Der kleine Unterschied (Klasse 10)
Mangolds Bausteine und einige wenige andere Theaterbücher setzen langsam zwei bedeutsame Erkenntnisse der Theaterforschung um:
- Theaterspielen bzw. Theatermachen ist kein Geheimnis und nur „genialen“ Regisseuren oder avantgardistischen „Kollektiven“ vorbehalten, sondern in seinen einzelnen Gestaltungs- und Wirkungselementen sehr differenziert beschreib- und auch für Schüler bis zu einem gewissen Grad erlernbar.
- Mit einer bestimmten theoretischen Fundierung, einer Didaktik für Theater(-Unterricht) und einer daraus abgeleiteten Konzeption fürs Theaterspielen bzw. Theatermachen können Spielleiter/ Theater-Lehrkräfte/ -Pädagogen Selbstlernprozesse bei Schülern in Gang setzen, die ihnen bisher nicht eröffnete Freiräume für kreative Erfahrungen im ästhetischen Feld der Theaterkunst im regulären Unterrichtsfach Theater/ Darstellendes Spiel ermöglichen. Fundierte Schülerarbeitsbücher können diesen Prozess hilfreich begleiten und unterstützen.
Damit findet eine weitere Professionalisierung der Kunst, Theater zu lehren, statt.
Dies impliziert ein grundlegend verändertes Verständnis von Theaterspielen bzw. Theatermachen in der Schule:
- Es werden nicht mehr bevorzugt tradierte klassische Dramen weitgehend werktreu inszeniert, sondern verstärkt Eigenproduktionen als Szenenfolgen oder Collagen erarbeitet, die sich mehr oder weniger an einer Vielfalt des zeitgenössischen Theaters und postdramatischer Spielweisen orientieren.
- Es gibt keine tradierte Rollenverteilung mehr: Der Lehrer spielt nicht mehr die Rolle des Regisseurs, die Schüler spielen nicht mehr die Rolle des Schauspielers, sondern die Theaterarbeit gestaltet sich deutlich mehr als ein Gemeinschaftsprojekt einer Gruppe, die die Lehrkraft als eine Art von primus inter pares integriert. Seine Funktion als verantwortlicher Leiter und Lehrer dieses Unterrichts, der bewertet und Noten gibt, bleibt dabei erhalten.
Mangolds Bausteine versuchen neben dem Kursbuch Theater machen bereits um die Jahrtausendwende vorgelegte und ausgearbeitete Konzepte für Theaterunterricht wie Körper und Raum und Von der Vorlage zum Spiel aufzugreifen und weiter zu entwickeln.
Dabei orientieren sich diese Schülerbücher an den inzwischen ausgearbeiteten Curricula und Handreichungen der Kultusministerien und versuchen diese in konkrete Unterrichtsplanung umzusetzen.
Hierbei bewegt sich Mangold, wie die anderen Autoren auch, an einer Umbruchstelle eines neuen Verständnisses von Theaterunterricht. Das Alte ist noch nicht komplett aufgegeben, das Neue bricht sich aber schon mit Macht Bahn. Diese Suchbewegung führt zu unterschiedlichen Ausprägungen, in welcher Weise die zuvor erarbeiteten theoretischen Konzeptionen in konkrete Handlungshilfen und -anweisungen umgesetzt werden.
Mangolds Bausteine bieten eine Fülle von Anregungen, die zweifellos für den Theater-Lehrer eine strukturierte Fundgrube für seinen Unterricht darstellen. Mangold überlässt es aber dem Lehrer, aus diesem Angebot auszuwählen und das Ausgewählte in eine unterrichtliche Struktur zu bringen. Die Lehrkraft erhält keine Hinweise zum Beispiel durch Zeitangaben für die ungefähre Dauer unterschiedlicher Übungen und in welcher Abfolge er seinen meist doppelstündigen Unterricht komponieren könnte.
Häufig werden die Schüler durch Aufgaben aufgefordert, sich mit bestimmten Inhalten auseinander zu setzen und dazu Stellung zu beziehen, ohne vorher durch einen kurzen klaren Inhaltsvortrag des Lehrers oder eines vorbereiteten Schülers fachlich in die Lage gesetzt worden zu sein, eine begründete und fundierte Aussage machen zu können. Beispielsweise wird im Kapitel „Wir fangen an“ die Aufgabe gestellt: „Überlegt zusammen, warum die Stunden im Darstellenden Spiel immer mit solchen Übungen beginnen sollten.“ (9) Oder: „Macht euch Gedanken darüber, welchen Sinn die Übung haben soll.“ (13)
Die vorgestellten Projektideen geben vielfältige Anregungen, in die Theaterarbeit einzusteigen.
Ein 15-seitiges „Theaterlexikon“ stellt die wichtigsten Grundbegriffe des Theaters in Kürze vor.