Meyer, Verena 2016: Spielen, Darstellen, Gestalten – Ein Theater-Mach-Buch für Einsteiger. Kempen: Buch Verlag Kempen. 55 Seiten – Rezension
Schnellen und unkomplizierten Einsatz ihrer Theater-Spiel-Anregungen verspricht Meyer, für Anfänger und auch für erfahrene Anleiter von Spielprozessen für Mitspieler jeden Alters, in der Schule für Theater-Unterricht und auch für Gruppen im außerschulischen Bereich.
Nach ein paar kurzen Bemerkung, was Theater und wie das Buch aufgebaut ist, werden mit dem ersten Impuls (Arbeitsblatt) die Teilnehmer aufgefordert ihre Definition von Theater aufzuschreiben und in einem zweiten Schritt eine Szene zu improvisieren, in der jemand im Kaufhaus „Theater“ kaufen will.
Nach diesem Muster ist die Broschüre strukturiert: Kurzer „Theorie“- Impuls, Handlungsanweisung. Als Quellen und Verweise zur Inspiration werden zumeist wikipedia und verschiedene Internetseiten angegeben, z.B. für ein „Kostümbild“ eine unkommentierten Sammlung von Abbildungen: http://schoene-grafik.de/bs/buehne/buehne.html (30).
Manche Übungsanweisungen eigenen sich durchaus für Jüngere, während andere selbst für Ältere eine Herausforderung und ohne umfangreichere Informationen, Vorarbeiten und Training kaum zu bewältigen sind.
Die Bestandteile des Buches folgen weitgehend dem, was Theater ausmacht, Körper und Sprache, Szene, Rolle und Figur, Bühne und Raum, Kostüm und Maske, Requisiten, Ton und Licht. Der beschriebene Prozessablauf kann allerdings heutigen Ansprüchen nicht mehr genügen, und schon gar nicht dem eines kompetenzorientierten Theater-Unterrichtes, der auf der Basis einer Theaterdidaktik und seit vielen Jahren präzise ausgearbeiteten Curricula folgt. Bezüge hierzu fehlen gänzlich.
Die inhaltliche Logik vom Spielen über das Darstellen zum Gestalten zu kommen, kann der Leser durchaus folgen und die Theorie-Schnipsel werden zumeist in praktische Übungen umgesetzt. Dabei fällt auf, dass sehr früh mit Text gearbeitet werden soll. Der Empfehlung, dem Spielen, dem Vertrauen-Aufbauen und der Gruppen-Bildung eine hohe Priorität einzuräumen, folgen nicht die diesem Anspruch gerecht werdenden umfangreichen Übungen.
Überdies verstärkt die frühe Textarbeit, Strichfassungen zu üben und eine Priorisierung von Rollenübernahmen (bezogen auf Figuren der dramatischen Literatur) den Eindruck einer etwas angestaubten Vorstellung von Theater, wie sie in den Anfängen der Republik und heute teilweise noch im Deutschunterricht praktiziert wurde und wird. [1]
Von den wesentlichen Veränderungen des Theaters (Postdramatik und Vielfalt des zeitgenössischen Theaters) und des Darstellenden Spiels als Unterrichtsfach und seiner grundlegenden Didaktik (Kompetenzorientierung, Abiturrelevanz usw.) seit den 1980er Jahren erfährt der Leser leider nichts.
Für Spielenachmittage in der Freizeitgruppe oder in einem Verein kann die vorgelegte Broschüre für einen Betreuer, der noch keine Erfahrungen mit Theater gemacht hat, teilweise eine Anregung sein, mal ein bisschen Theater zu spielen ohne sich dem Druck auszusetzen, als Möchtegern-Regisseur ein fertiges Stück zu inszenieren. Hilfreich wäre eine Angabe, für welche Altersgruppe die jeweiligen Übungen gedacht sind und eine entsprechende Strukturierung des Buches, so dass der Anwender nicht lange suchen muss.
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[1] „Die ’szenische Interpretation‘ nach Ingo Scheller ist ein Verfahren, das die Methoden des ’szenischen Spiels‘ zur Interpretation von Theaterstücken einsetzt […]. Diese wurden zwischen 1980 und 1985 an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg im Fachbereich 2 Kommunikation/ Ästhetik für einen ‚erfahrungsbezogenen Deutschunterricht‘ entworfen.“ Zit. nach: Meyer, Verena (2004): „Nicht die Asche, sondern das Feuer weitergeben.“ In: Korrespondenzen. Oktober 2004: Uckerland: Schibri: 8