Was ist inzwischen aus meinen Aktivitäten im Projekt „Kultur auf dem Lande“ in meinem Heimatort Hüttenberg geworden?
Alle meine angebotenen Kurse (Impro-Theater, Kreatives Schreiben, Gitarrespielen und Zeichnen) fanden mehrmals wöchentlich statt. Wegen geringer Teilnehmerinnenzahl wurden aber alle Angebote außer Gitarrespielen inzwischen beendet.
Aus den interessierten Musikanten wurde inzwischen eine feste Gruppe mit zurzeit drei Frauen und fünf Männern. Wir arbeiten am Aufbau eines Repertoires. Erste Auftritte im Ateliergarten Volpertshausen sind terminiert. Als Zusatzangebot können sich Interessierende samstags nachmittags zum Jammen treffen, mitspielen, mitsingen oder einfach nur zuhören und eine schöne Zeit verleben > https://huetteinander.de/?course=39.
Die Menschen in der Gitarrengruppe inspirieren und motivieren mich derart, dass ich mir eine neue, recht gute Westerngitarre gekauft habe und jeden Tag übe und eine Menge neue Lieder lerne. Ich kann nur sagen, es ist enorm belebend. Wir lachen viel, sind recht entspannt, grillen auch mal UND lernen viel voneinander. Beste Alzheimerprävention!
Ein zweiter Schwerpunkt meiner Beschäftigung wurde vermutlich durch zwei Erfahrungen getriggert. Das waren zum einen die Impulse aus meinem Kurs Kreatives Schreiben und zum anderen die aufkeimende Lust, meine vor ca. eineinhalb Jahr begonnene Erzählung weiterzuschreiten. Beim Schreiben stelle ich immer wieder fest, wie hilfreich meine Theatererfahrungen sind. Ob es um einen Plot geht, die Konturierung und Sprechweise der Figuren, um szenische Schilderungen und vieles mehr, das Schreiben (und Lesen) ist ja Film und Theater im Kopf. Da es mir an Ideen nicht mangelt, kann ich mich verstärkt darauf konzentrieren, einen eigenen Schreibstil zu entwickeln. Auch habe ich das große Glück einige kompetente, ehrliche und recht verschiedene Feedbackgeberinnen zu haben, die mir sehr konkret sagen, womit sie nicht einverstanden sind und was sie sich wünschen.
Ursprünglich sollte es eine Novelle von überschaubarem Umfang werden, was die Seitenzahl (ca. 30) und was die zu behandelnden Themen angeht (ein Thema und eine Hauptperson mit sehr wenigen Nebendarstellern).
Inzwischen bin ich bei Seite 200 und die Komplexität von Themen und Figuren wächst kontinuierlich. Das ist meine zweite Herausforderung für die nächsten acht Jahre.
Textprobe
Der folgende Text ist eine Fingerübung, eine frei erfundene Anekdote. Vielleicht geht sie so oder so ähnlich in meinen Roman ein. Ähnlichkeiten mit Lebenden oder Toten sind rein zufällig, teilweise gewollt. Er beschreibt eine fiktive Situation, in der der Keim gelegt wird, wie ein verfallenes Dorfkirchlein zu einem Ort der Kultur für alle Menschen wird.
Auferstehung
Still und friedlich lag das kleine Dorf. Abseits der großen Durchgangsstraßen. Im Südbadischen. Wer hierher wollte, der wollte hierher. Wer hier war, der blieb hier. Auf dem Kirchhof der verfallenen Minikapelle am Ortsrand im feuchten Wiesengrund, nicht in der Dorfmitte wie überall, faulten seit fast 1000 Jahren die Gebeine der hier Verwurzelten.
An diesem frühen feuchtnebligen Herbsttag vertrat sich der Bürgermeister seine Beine an diesem bedeutungsschwangeren Ort, bevor sie auch hier zu Gebeinen wurden und die alten Linden nährten. Ernst-Rudolf Weberschmidt, der Bürgermeister der kleinen Ortschaftensammlung hatte diesen Ort gewählt wie immer, um den Kopf wenigstens einmal die Woche ein bisschen frei zu bekommen. Die ganze Woche hockte er auf seiner Amtsstube oder eilte von Versammlung zu Versammlung. Hier fand er einen Moment Ruhe. Der Sonntagmorgen ganz früh, der gehörte nur ihm. Gegen 10:00 musste er schon wieder irgendwo antanzen. Auf drei Hochzeiten gleichzeitig. Bei einem Frühschoppen der Feuerwehr, der Eröffnung einer Trachtenstube bei den Landfrauen und einem Saugrillen der örtlichen Jagdpächter im Forst. Alles Wählerstimmen.
Bevor sich diese Stressgedanken tiefer in sein Hirn bohren konnten, ging er einfach los. Fluchtimpulse. Er umrundete den einstmals religiösen Knotenpunkt des Dorfes. Die Frommen hatten das eigentlich denkmalgeschützte Gebäude verscherbeln wollen. An einen historischen Freizeitpark. Da gabs Kohle für. Der wollte aber nicht. Sie hätten schon genug von diesen Dingern. Es gab einfach zu viele. Also ließen sie ihr Ding verfallen. Sie hatten sich ja ein funkelnagelneues bauen lassen. Was sprach also dagegen, der örtlichen Jugendfeuerwehr dieses Gebäude für realistische Löschübungen zu verweigern. Auch die Jungfeuerwehrleute werden einmal Wähler.
Nachdem Ernst-Rudolf die Ruine dreimal gemächlichen Schrittes umrundet und seinen Gedanken freien Lauf gelassen hatte, also keinem mit Lösungsversuchen hinterhergehechelt war, ging er in die dachlose Ruine und setzte sich auf einen der grob behauenen Steine am einstmaligen Eingang. Zwei Saatkrähen krächzten ihm ihren Morgengruß vom verrußten First. Es kam ihm vor, als beschimpften sie ihn. Sie schauten auch auf ihn herab. Tuschelten miteinander. Dann krächzten sie ihr Raaab! Raaab! wieder zu ihm hinunter. Ernst-Rudolf schämte sich. Er hätte sich früher in diesen unsäglich gelaufenen Prozess einschalten müssen, in dessen ruinösen Ergebnisses er jetzt saß und beschimpfen lassen musste. Zurecht. Die Krähen waren klüger als die Menschen.
Ernst-Rudolf wollte aber kein schlechtes Gewissen haben. Und schon begannen die Neuronen zu feuern. Da hatte er keinen Einfluss drauf. Lösungen. Lösungen. Lösungen. Darauf war er programmiert. Und das tägliche Training im Amt triggerte ihn natürlich jede Sekunde. Aber was das Amt von ihm verlangte, war manchmal einfach zu viel. Dann gingen bei der Neurogenese seines Hirns auch mal Sachen verloren oder die frisch im vorderen Stirnlappen geborenen Stammzellchen verirrten sich auf ihrer Wanderung, eigentlich schwimmen sie ja, im schier endlosen Labyrinth der Abermilliarden neuronalen Verknüpfungen. Sie gerieten ins Abseits und starben einfach. Der Gedanke, die Idee waren dann weg. Für immer. Dem jetzigen Gedankenblitz sollte dieses Schicksal nicht widerfahren. Abrupt stand der Bürgermeister auf, so als habe der Gedanke sich nicht nur im Hirn verankert, sondern gleichzeitig den Befehl an seine Beinmuskulatur erteilt, aufzustehen und zur Tat zu schreiten.
Die Überbleibsel des fast tausendjährigen Gebäudes mussten erhalten werden. Besser noch: Alles musste wieder auferstehen. Und schöner und schmucker als wie früher. Ja. Irgendwie. Auferstehung. Ein schöner Sonntagmorgengedanken. Ernst-Rudolf marschierte Richtung Auto. Die Krähen flatterten Richtung Bach.
Aber schon auf der kurzen Fahrt in den Nachbarortsteil, seinem Wohnort, kamen ihm wieder Zweifel, ob er sich das Projekt auch noch ans Bein binden sollte. Insbesondere als im klar wurde, mit welchen Leuten er es da wieder zu tun hatte. Sicherlich konnte er auf eine Reihe Unterstützer rechnen. Allen voran sein Sohn. Aber vielleicht auch seine Ex.
https://huetteinander.de/77-Atelierkirche.html
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