Nachdem ich den Hessischen Minister für Wissenschaft und Kunst Boris Rhein am 08. Februar 2016 angefragt hatte, ob es im Zusammenhang mit einem millionenschweren Neubau für ein Theaterlabor für das Institut für Angewandte Theaterwissenschaft in der Gießener Innenstadt nun endlich auch mit der Einrichtung eines seit vielen Jahren auf Eis liegenden Lehramtsstudienganges für Theater-Lehrkräfte vorangehen wird, erhielt ich am 10. März 2016 ein Antwortschreiben des für dieses Thema zuständigen Hessischen Kultusministers Prof. Dr. Alexander Lorz, in dem er mir u.a. folgendes mitteilte:
„Über die Hessische Lehrerinnen- und Lehrerweiterbildung wird seit Jahren die Unterrichtsversorgung im Unterrichtsfach ‚Darstellendes Spiel‘ gesichert. [… Es] stehen zum Schuljahr 17/18 621 vollständig ausgebildete Lehrpersonen zur Verfügung.“ Die „Einrichtung des Unterrichtsfachs Darstellendes Spiel an der JLU Gießen würde verbunden mit einem hohen finanziellen Aufwand und Risiko keine annähernd vergleichbaren Zahlen liefern können.“ (Lorz: 10.03.2016)
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Ich schrieb ihm daraufhin folgende Mail:
Sehr geehrter Herr Minister Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz,
vielen Dank für Ihr Antwortschreiben vom 10.03.2016.
Darin gehen Sie auf die Weiterbildungsmaßnahme für bereits ausgebildete Lehrkräfte für das Unterrichtsfach Darstellendes Spiel ein.
Die Maßnahme einer Weiterbildung wurde meines Wissens seinerzeit von den Kultusministern der Länder als ‚Notmaßnahme’ angeregt, um den Ländern zu ermöglichen, das neu entstandene Fach zügig von qualifizierten Lehrkräften unterrichten lassen zu können. Eine entsprechende universitäre Ausbildung gab es zu diesem Zeitpunkt nicht in Deutschland. Das ist nun bereits viele Jahre her.
In einigen Bundesländern z.B. Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern wurden inzwischen entsprechende Ausbildungsgänge für Lehrämter an Universitäten für das Fach Theater/ Darstellendes Spiel eingerichtet (vgl. https://angewandte-theaterforschung.de/studium-lehramt-darstellendes-spiel-in-giessen).
In Hessen leider nicht, obwohl es seit über fünf Jahren entsprechende Bestrebungen gibt, einen Studiengang an der JLU-Gießen zu etablieren.
Sie verweisen darauf, dass in Hessen „zum Schuljahr 2017/18 621 vollständig ausgebildete Lehrpersonen zur Verfügung“ stünden.
Bei aller Qualität der hessischen Weiterbildung in diesem Bereich gibt es – wie sie ja auch wissen – zwischen einer Weiterbildung und einer Ausbildung grundlegende Unterschiede.
Ein mehrjähriges Vollzeitstudium eines Faches, ein sogenanntes grundständiges Studium, wie es beispielsweise seit vielen Jahren in Niedersachsen im Verbund der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, der Technischen Universität Braunschweig, der Hochschule für Musik und Theater Hannover, der Universität Hannover und der Universität Hildesheim angeboten wird, vermittelt die erforderlichen Qualifikationen auf einem Level, wie es für andere reguläre Unterrichtsfächer Standard ist.
Die Abschaffung der damals eingerichteten ‚Notmaßnahme’ der Weiterbildung und die Einrichtung eines ordentlichen Studienfachs sind demnach in Hessen überfällig, wenn man überdies den hohen Bedarf ausgebildeter Theaterlehrkräfte in der Zukunft ins Auge fasst.
Wissenschaftler, Eltern, Schüler, Pädagogen, alle Beteiligten sind sich darin einig: Theaterspielen muss fester Bestandteil im Unterrichtsangebot aller Schulen in jedem Halbjahr werden, leistet es doch als ein herausragendes Lernangebot im Bereich der kulturellen Bildung Wesentliches für die Integration von Menschen in eine friedliche Gemeinschaft und eine zukunftsfähige Gesellschaft, die auf Bewahrung menschlicher Werte setzt.
Ich appelliere an Sie, Ihre Haltung bezüglich der Ablehnung der Einrichtung eines Lehramts-Studiengangs Darstellendes Spiel an der JLU-Gießen noch einmal zu überdenken.
Wie stehen Sie dazu?
Mit freundlichen Grüßen
Beste Grüße
Volker List
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In seiner schriftlichen Antwort vom 10. Mai 2016 führt Lorz aus, dass die Weiterbildungsmaßnahme zur Theater-Lehrkraft eine einem Grundstudium „gleichwertige Kursstruktur“ habe, und „Auch in einem mehrjährigen Studium wird nur dieses Volumen in jedem Unterrichtsfach studiert. Im Übrigen verweise ich auf meine Antwort vom 10.03.2016 und muss Ihnen erneut bestätigen, dass die Einrichtung des Unterrichtsfachs ‚Darstellendes Spiel‘ an der JLU Gießen momentan nicht weiter vorangetrieben wird.“ (Lorz: 10.05.2016) –
Das neue Theaterlabor (goldfarbene Außenfassade) der Angewandten Theaterwissenschaften kostet laut Presseberichten 8,2 Mio € (WNZ 08.02.2016) und soll aus einem schlichten leeren multifunktionalen Raum bestehen. Ein Studiengang für Theater-Lehrkräfte soll ca. 0,3 Mio €/ Jahr kosten.
Man könnte Fragen stellen an die Gewichtung der Motive.
Oder: Warum bietet Niedersachsen ein grundständiges Theaterlehrerstudium an und warum erhöht Niedersachsen die Stundenzahl für alle ästhetischen Fächer und Hessen nicht?
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