Barth, Dorothee (Hg) 2016: Musik. Kunst. Theater. Fachdidaktische Positionen ästhetisch-kultureller Bildung an Schulen. Osnabrück: epOs: 196 Seiten – Rezension
Der Tagungsband will Aufschluss geben über den Stand der aktuellen fachdidaktischen Positionen Kultureller Bildung der Unterrichtsfächer Kunst, Musik und Theater. Dabei werden die historischen Entwicklungslinien der Fächer nachgezeichnet, ohne die der aktuelle Diskurs kaum nachzuvollziehen ist, und die Schwerpunkte der Diskussionen beschrieben. Der Band habe „nicht den Anspruch einer umfassenden systematisch-komparativen Aufarbeitung der drei Fachgeschichten.“ Die Beträge böten aber „einen guten Einstieg in die Thematik“ und legten „Frage- und Problemstellungen für nachfolgende Untersuchungen offen.“ (vii).
Das Ausgenmerk dieser Rezension liegt auf den Beiträgen zum Unterrichtsfach Theater; wobei die anderen Fächer nicht ganz aus dem Blick geraten.
Inhalt
Musik
Dorothee Barth
Schlaglichter auf Positionen in der Fachgeschichte der Musikpädagogik/-didaktik 3
Jürgen Oberschmidt
Didaktische Position I: Werkbetrachtung im Musikunterricht 21
Ortwin Nimczik
Didaktische Position II: Der Aufbauende Musikunterricht 31
Christopher Wallbaum
Didaktische Position III: Erfahrung – Situation – Praxis 39
Kunst
Sarah-Lisa Graham
Schlaglichter auf Positionen der Geschichte des Schulfaches Kunst 59
Martin Klinkner
Didaktische Position I: Bilddidaktik und Visuelle Kultur. Apologie einer Bildkompetenzorientierung im Fach Kunst 71
Andreas Brenne
Didaktische Position II: Zur Didaktik der künstlerisch-gestalterischen Praxis im Fach Kunst 85
Werner Fütterer
Didaktische Position III: Ästhetische Forschungen 93
Theater
Gunter Mieruch
Schlaglichter auf Positionen der Geschichte des Schulfaches Theater 105
Ulrike Hentschel / Dorothea Hilliger
Theater probieren. Positionen zu einer Didaktik des Schulfachs Theater 121
Maximilian Weig / Leopold Klepacki
Theaterunterricht und Theater unterrichten. Didaktische Überlegungen zum Unterrichtsfach Theater 133
Außerschulische Kulturelle Bildung
Kerstin Hübner
Boom Kulturelle Bildung?! Aktuelle Herausforderungen für schulische und außerschulische Akteure 147
Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss
Kulturelle Bildung: Zur aktuellen Lage und Reflexion ihrer Bedeutung in der Zusammenarbeit mit Schulen 163
Zusammenfassung
Susanne Dreßler
Leitmotive der drei ästhetischen Schulfächer. Ein Positionspapier zu Gemeinsamkeiten, Unterschieden und Grenzbereichen in den Fachdidaktiken Musik, Kunst, Theater 177
Vitae der Autorinnen und Autoren 191
Im Abstract zum Buch heißt es: „Die drei künstlerisch-ästhetischen Schulfächer Kunst, Musik und Theater sind für die Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen wertvoll und bedeutsam. Sie unterstützen die Entwicklung positiver Identitätskonzepte, fördern Neugier und Kreativität, eröffnen ästhetische Zugänge zur Welt und tragen nicht zuletzt zu einem lebendigen kulturellen Leben an Schulen bei.
Das Buch stellt spezifische Qualitäten und konzeptionelle Ansätze der drei Fachdidaktiken in Geschichte und Gegenwart vor und erstmals vergleichend gegenüber. Es zeigt Chancen und Herausforderungen interdisziplinärer Projekte und rückt auch Kooperationen mit der außerschulischen Kulturellen Bildung in den Fokus. Vor allem richtet es den Blick auf die unterschiedlichen künstlerischen Qualitäten und die Vielfalt ästhetischer Konzepte und ist so auch als Plädoyer für die Autonomie der drei Fachkulturen an allgemeinbildenden Schule zu lesen.“
Theater
Gunter Mieruch
Schlaglichter auf Positionen der Geschichte des Schulfaches Theater 105
Mieruch zeichnet die historischen Entwicklungslinien von Theater im Bildungskontext nach und betont, dass ohne diese der aktuelle Diskurs kaum nachzuvollziehen sei.
Ausgehend von der Nutzung des Schultheaters als Propagandainstrument der verschieden religiösen Strömungen beschreibt Mieruch die verschiedenen Phasen und Entwicklungsstadien schulischen Theaterspiels bis hin zu den aktuellen Positionen und Argumentationen, um in seinem „Ausblick“ für die Notwendigkeit, Theater als drittes künstlerisches Unterrichtsfach zu plädieren, aus dem Entwurf des mittlerweile gültigen „Hessischen Kerncurriculum für die gymnasiale Oberstufe. Darstellendes Spiel“ zu zitieren, in dem es heißt, dass Theater den existenziellen Ausdrucks- und Kommunikationsbedürfnissen des Menschen Rechnung trage und im Besonderen über die körperliche-performative und symbolische Aneignung von Welt die Auseinandersetzung mit Wirklichkeit und Veränderungspotenzial befördere.
Dies impliziere, so Hentschel/ Hilliger in ihrem Beitrag, dass „eine ‚Dezentrierung’ des Subjektes auf der auf das Subjekt bezogenen Zielsetzungen künstlerischer Arbeit (z.B. der allseits bekannten Kompetenzen) zugunsten […] der künstlerischen und sozialen Praktiken im Produktionsprozess“ hervorgehoben werden müsse. (117)
Ihre Didaktik des Theaterunterrichts verstünden sie deshalb „im Sinne eines ‚Theater Probierens’, bei dem ‚durch das Probieren, die gemeinsame Suche im Prozess der Erarbeitung, das kollektive Ergebnis allmählich Gestalt’ gewinne. Die dafür geeignete Arbeitsform sei die ‚divising performance’, die den Anspruch am besten einlöse, kollektive Arbeitsprozess komplex und offen zu halten.“ (117)
Ulrike Hentschel / Dorothea Hilliger
Theater probieren. Positionen zu einer Didaktik des Schulfachs Theater 121
Hentschel/ Hilliger grenzen sich zunächst von einem „Anti-Modell“ ab, das einer „Einfühlungsästhetik“ einer psychorealistischen Theaterform folgt, und plädieren für ein Gegenmodell zu einer „formalen Bildung“, die für eine vorab gestecktes Bildungsziel, z.B. Empathie, das „Theaterspielen als Übungsstoff bzw. Methode“ benutze. „Ästhetische Bildung im engen Bezug zur Kunst des Theaters“ sei das Ziel. Damit werde die „Fachlichkeit gegenüber den formalen Zielsetzungen bzw. Kompetenzen hervorgehoben.“ (121)
Ihrem „vorgestellten didaktischen Konzept“ liege ein „kontextualistisches Verständnis von Theater zugrunde.“ In Anbetracht der historischen und kulturellen Bedingtheit von Theater, der Vielfalt seiner Erscheinungsformen und Darstellungskonventionen und angesichts der Eigensinnigkeit ästhetischer Erfahrungen lassen sich die Möglichkeiten ästhetischer Bildung dann nicht allgemein bestimmen, sondern sich für jede Theaterarbeit […] konkretisieren.“ (122)
Statt einer Komplexitätsreduktion müsse eine Didaktik für Theater diesem komplexen Feld gerecht werden. Aus diesem Grund stellen die Autorinnen das Probieren in den Fokus: „Theater beginnt grundsätzlich – also auch in der Schule – mit einem noch unbekannten Gegenstand. Erst durch das Probieren, die gemeinsame Suche im Prozess der Erarbeitung gewinnt das kollektive Ergebnis allmählich Gestalt. Dieser grundsätzlich soziale Prozess beinhaltet Risiken, Krisen und kann immer auch scheitern.“ (122) Dies ist eine Setzung, die noch kritisch zu würdigen ist, wenn man Pädagogik versteht, als ein Konzept, das primär insbesondere Kindern und Jugendlichen zu einem Gefühl von Selbstwirksamkeit verhelfen will. Dies geschieht nicht durch Scheiternserfahrungen, sondern durch Erfolgserlebnisse, die gleichwohl – auch gegen Widerstände – hart errungen wurden.
Als geeignetes Strukturmodell für Theaterunterricht erscheint Hentschel/ Hilliger eine Rahmensetzung, innerhalb dessen Schüler Theater probieren können. Sie bestimmen dabei die einzelnen Komponenten des Theaters wie „Körper- und Stimmtraining, Theaterübungen, das Wissen der Theaterlehrerinnen und -lehrer von Improvisationen, Bau von Szenen und Stücken u.ä. als Gelingensbedingungen, die allerdings nicht „rezeptförmig zu verwenden“ seien. Sie veränderten sich im Prozess der Produktion. (123)
In der Regel steckten die Theaterlehrenden diesen Rahmen ab, und „im Verlauf der schrittweisen Erarbeitung, also mit einem starken Bezug zu Praxis, entsteht auf der Seite der Schülerinnen und Schüler eine zunehmendes Verständnis von den Gestaltungsmöglichkeiten und Ausdrucksformen dieser Kunstform, auf der Seite der Lehrenden ein zunehmendes Wissen über die Besonderheit und die Anliegen einer Gruppe. In diesem szenisch geprägten, dialogischen Erarbeitungsprozess kommt es zu Gestaltungsvorschlägen, die nur von dieser speziellen Gruppe gemacht werden konnten. Es ist also die Besonderheit einer Gruppe, die den Prozess wie auch das künstlerische Ergebnis prägt.
Offenheit und Beteiligung sind die zentralen Faktoren für das Gelingen. Die Entscheidung für eine Ausgangsfrage, einen Stoff, ein Thema sowie für die verwendeten Materialien, Medien und Spielformen wird im Zusammenspiel mit der Gruppe entwickelt, die das Projekt trägt. Vorschläge und Lösungen müssen ausgehandelt werden. […] Die zu treffenden Entscheidungen fußen auf einem Wissen über die Funktion und die Aussagemöglichkeiten von Kunst im Allgemeinen und von Theater im Speziellen sowie über den jeweiligen Gegenstand – sei es ein Stück, ein Thema, eine historische Situation oder biografische Erfahrung. Ein hohes Maß an Wahrnehmungsfähigkeit, soziale, emotionaler und rationaler Intelligenz fordert und befördert die Projektentwicklung , wobei Wissen, Fähigkeiten und Gestaltungsqualitäten einer Gruppe sich aus dem Zusammenspiel aller Beteiligten ergeben.“ (123-124)
Mit dieser Beschreibung haben Hentschel/ Hilliger einen theoretischen Brückenkopf konstruiert, der – mit der Setzung, dass es im Prozess zu einer „partielle[n] Verschiebung, eine[r] Übernahme von Verantwortlichkeiten und damit eine beginnende künstlerische Emanzipation der Lernenden vorbereitet und langfristig realisiert“ wird“ (125) – seine Fortsetzung zu einem vollendeten, gang- und belastbaren Brückenschlag der Theorie in die Praxis in der ausformulierten Didaktik für Theater findet, wie sie List entwickelt hat in: „Die Kunst Theater zu lehren. Didaktik für Theater und Darstellendes Spiel.“ Hüttenberg. Angewandte Theaterforschung.
Maximilian Weig / Leopold Klepacki
Theaterunterricht und Theater unterrichten. Didaktische Überlegungen zum Unterrichtsfach Theater 133
Weig und Klepacki wollen mit einer theoretisch-deskritiven bzw. strukturanalytischen Herangehensweise den vier grundlegenden Fragen nachgehen: „- Was ist Unterricht? – Was ist Theaterunterricht? – Was soll Theaterunterricht? Was meint Theater unterrichten?“ (134) und bleiben damit in letzter Konsequenz immer auf einer eher allgemeinen Betrachtung des Phänomens einer „schul- und bildungspolitschen Fragestellung.“ (137)
Im Gegensatz zu Hentschel/ Hilliger plädieren Weig/ Klepacki dafür, sich mehr aus allgemeinen didaktischen Überlegungen dem Phänomen zu nähern und die „didaktische Artikulation über Aspekte wie Reproblematisierung, Segmentierung, Sequenzierung, Vereinfachung oder Elementarisierung“ herzustelllen.(140) Der Unterrichtsgegenstand muss „prozessual-approximativ und situativ-emergent verstanden werden“. […] Eine Sequenzierung in inhaltlich bestimmte Groß- und Feinziele ist dabei in einer langfristigen Planung kaum mehr möglich und auch deren Überprüfung wäre vor große Probleme gestellt. Vor allem aber steigert die Offenheit des Gegenstandes die Verantwortung der Lehrkräfte enorm, da sie es letztlich mit einem kontingenten Unterrichtsgegenstand zu tun haben.“ (141)
Als Forschungslücke formulieren Weig/ Klepacki: „Aus fachwissenschaftlicher Perspektive bleibt das Desiderat, solche Positionen des Theater-Machens auch über politische Papiere hinweg in didaktische Konzepte des Theater-Unterrichtens wissenschaftlich zu fundieren. Diese Konzepte könnten den verantwortlichen Lehrkräften in der Ausbildung, aber auch im Unterrichtsalltag neben ihrem praktischen Wissen verstärkt didaktisches Professionswissen an die Hand geben, um mit den komplexen didaktischen Anforderungen eines Theaterunterrichts einen verantwortlichen Umgang zu finden.“ (142)
Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss
Kulturelle Bildung: Zur aktuellen Lage und Reflexion ihrer Bedeutung in der Zusammenarbeit mit Schulen 163
Reinwand-Weiss konstatiert in Bezug auf außerschulische Bildungsprogramme, Projekte usw. eine quantitative Zunahme bei gleichzeitig zunehmender Unübersichtlichkeit, obgleich sich alle einem Humboldtschen Bildungsideal einer selbsttätigen Bildung, einer Selbstbestimmung und der Erfahrung der Selbstwirksamkeit und der Freiwilligkeit verpflichtet fühlten.
Diese Form der Bildungsarbeit sei geprägt von Partizipation und Teilhabe, und die Rolle der Lehrenden sei eher „die eines hervorgehobenen Teilnehmers bzw. eines Begleiters“ und könne sich im Verlauf des Prozesses verändern. (164)
Es gebe in der Vielfalt außerschulischer kultureller Bildungsangebote keine Didaktik und keine Curricula in der Vielfalt ästhetischer Praxen.
Als übergeordnetes Lernziel könne man folgendes ausmachen: „Kulturelle Bildung soll zu umfassender kultureller Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen befähigen und politisch dazu beitragen, demokratische und aufgeklärte Bürger […] hervorzubringen.“ (165)
Reinwand-Weiss beschreibt fünf allgemeine, aufeinander aufbauende Kompetenzfelder, die einem entsprechenden Bildungsbegriff inhärent seien, und sowohl für schulische als auch außerschulische Kulturelle Bildung gelten können:
- Ästhetische Alphabetisierung
- Schulung der Sinneswahrnehmung und Ausdruckfähigkeit
- Selbstreflexion der eigenen Wahrnehmungs- und Ausdrucksrepertoires
- Kritische Bewertung
- Gestaltung ästhetischer Praxen und Handlungskompetenz
Es sei bei der Analyse konkreter Lern- und Bildungsprozesse in der kulturellen Bildung unerlässlich, die jeweilige Pädagogik und Ästhetik eines spezifischen Angebots zu untersuchen. „Erst anhand einer solchen Analyse kann bestimmt werden, welche potenziellen Kompetenzen Teilnehmer/innen erwerben können. Allzu oft nämlich werden gesellschaftliche und politische Erwartungen an Kulturelle Bildung formuliert, die ohne eine genaue Analyse dessen, was jeweils als Kulturelle Bildung bezeichnet wird, unhaltbar sind und damit jeder Grundlage entbehren.“ (166)
Reinwand-Weiss versucht, „die gegenseitigen Vorurteile der ungleichen Partner und die systemischem Voraussetzungen, aus denen Konflikte entstehen können, ein Stück weit transparent zu machen.“ (167) und listet dazu die entsprechenden Befürchtungen, Kritiken und Vorwürfe auf. Kulturelle Bildung könne bestenfalls eine Ergänzung des schulischen Angebots oder eine entsprechende Inspiration sein. Den ca. 33.000 Schulen stünden ca. 20 theaterpädagogische Zentren gegenüber. Sie verweist aber auch darauf, dass „der künstlerisch-ästhetische Fachunterricht in Schulen zunehmend bedroht“ sei. (168) Einige Bundesländer hätten „bereits Kürzungen in Fächern wie Bildende Kunst oder Musik vorgenommen (aktuell gerade das Land Niedersachsen)“ (168). Das stimmt in Bezug auf Niedersachen gerade nicht. Dort ist die Wochenstundenzahl der ästhetischen Fächer insgesamt sogar erhöht worden, so teilte es das zuständige Referat 33 der Niedersächsischen Kultusministerin am 14.09.2017 Reinwand-Weiss auf meine Nachfrage bei ihr mit. Siehe auch: List, Volker (2017): Niedersachsen bestätigt Erhöhung der Wochenstundenzahl für ästhetische Fächer!
Im Folgenden beschreibt die Autorin an einigen Beispielen, „welche Überzeugungen und gemeinsame Aktivitäten nötig“ seien, damit „aus Feinden Freunde werden können.“ (169)
Susanne Dreßler
Leitmotive der drei ästhetischen Schulfächer. Ein Positionspapier zu Gemeinsamkeiten, Unterschieden und Grenzbereichen in den Fachdidaktiken Musik, Kunst, Theater 177
Susanne Dreßler systematisiert die Essenz der Diskussionen in den verschiedenen Arbeitsgruppen der Tagung und arbeitet zentrale Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie Grenzbereiche in Bezug auf die drei Fachdidaktiken Musik, Kunst und Theater in Form von acht Leitmotiven heraus.
Zunächst stellt sie fest, dass die Tagungsteilnehmer durchgängig einem Kompetenz-Begriff kritisch gegenüber stünden und einen Bildungsbegriff in der Tradition Humboldts dagegenstellen, den sie mit den Begriffen „subjektorientiert“, „offen“, „selbsttätig“ oder „prozesshaft“ andeutet.
Dreßler formuliert drei Gelingensbedingungen:
- Die Fachvertreter fordern übereinstimmend „eine Verstetigung der künstlerisch-ästhetischen Fächer in der Stundentafel auf der Basis eines systematisch angelegten und an Curricula orientierten sowie von Fachlehrer/innen durchgeführte Unterricht.“ (179)
- Im Fachunterricht soll das „Widerständige der Künste“, Aspekte der Wahrnehmungs- und Ausdrucksqualität und ihrer Vermittlung sowie reflexive künstlerisch-ästhetische Gestaltungsprozesse als fachübergreifende, ureigene Bildungspotenziale fruchtbar“ gemacht werden. (179)
- Die ästhetischen Fächer „leisten einen grundsätzlichen Beitrag zu ästhetischen Erziehung im schulischen Rahmen – und zwar als Differenzerfahrung. Eine so verstandene Bildung ist nicht gleichzusetzen mit Kompetenz- und Wissenszuwachs, kann jedoch in Beziehung dazu gesetzt werden.“ (179)
Die acht Leitmotive:
Leitmotiv 1
Unterricht in Musik, Kunst und Theater in der Schule heißt …
… dem Widerständigen Raum geben – aber in der Schulwirklichkeit verankern. Widerständigkeit meint hier die Auseinandersetzung mit Neuem und Unbekanntem. Lehrkräfte seien heraugefordert, sich „konstruktiv mit den vielfach durchbrochenen Lernprozessen“ in wöchentlichen 90-Minuten-Einheiten nach curricularen Vorgaben und sperrigen schulischen Gegebenheiten umzugehen.
Leitmotiv 2
Unterricht in Musik, Kunst und Theater in der Schule heißt …
… Qualität und Anstrengung einfordern – aber nicht mit Kunst gleichsetzen.
In der Beschreibung dieses Motivs wird auf die herausgehobene Bedeutung von kontinuierlichem Feedback im Lernprozess verwiesen. „Das schließt die ständige Bewertung künstlerischer Prozesse und Produkte – durch die Schüler/innen selbst, aber auch durch die Lehrenden – ein. Dafür wiederum sind gemeinsam transparente Verfahren zu entwickeln, in denen die Maßstäbe für die Bewertung ästhetischer Qualitäten ausformuliert sind.“ (182)
Leitmotiv 3
Unterricht in Musik, Kunst und Theater in der Schule heißt …
… fachspezifische Inhalte stärken – aber nicht an einem starren Kanon orientieren.
Dieses Leitmotiv verweist auf die besondere Bedeutung der Vermittlung von „Handwerkszeug“, die als Voraussetzung zu Gestaltung künstlerischer Prozesse und Produkte unverzichtbar sind. „Solcherart Handwerkszeug kann nur entweder aufbauend in einem systematischen Lehrgang oder aber projektorientiert in Rahme künstlerischer Gestaltungsprozesse erworben und vertieft werden.“ (182) Dies mag als Anerkennung eines Lernkonzepts gelten, wie es in dieser Weise in den Kursbüchern als Schülerarbeitsbücher bereits seit 2009 angeregt wird. Dabei gilt, „dass letztlich nur die Fachkräfte vor Ort eine verbindliche inhaltliche Ausrichtung vornehmen können. Erst mit einer solchen situationsspezifischen Bestimmung lässt sich einer starren und unerwünschten Kanonisierung entgegenwirken.“ (183)
Leitmotiv 4
Unterricht in Musik, Kunst und Theater in der Schule heißt …
… Mehrperspektivität anregen – aber keine Beliebigkeit fördern.
Aufgabe der ästhetischen Fächer soll es sein, ein Bewusstsein für das Erkennen von Grenzen zwischen Beliebigkeit und Mehrperspektivität zu fördern sowie Spiel- und Lesarten für den Wechsel der Perspektiven zu erproben. Das bedingen die bereits in Leitmotiv 2 ausgeführten notwendigen Bewertungen künstlerischer Prozesse.“ (183)
Leitmotiv 5
Unterricht in Musik, Kunst und Theater in der Schule heißt NICHT…
… Projektunterricht in Neigungsgruppen. Alle Teilnehmer plädieren für eine feste Verankerung im Stundenplan und die Einrichtung entsprechender Rahmenbedingungen, z.B. die Bereitstellung von fachangemessenen Räumen, Ausstattung, Material usw.
Leitmotiv 6
Unterricht in Musik, Kunst und Theater in der Schule heißt NICHT…
… Förderung vermuteter Transfereffekte. Hauptaufgabe der künstlerischen Fächer ist nicht die Förderung vermuteter Nebeneffekt wie Empathie, Präsentationskompetenz usw., sondern die fachimmanenten Inhalte.
Leitmotiv 7
Unterricht in Musik, Kunst und Theater in der Schule hat zum Ziel …
… Künstlerische Praxis und Ästhetische Erfahrung.
Diese konstituiere sich „im Prozess des Theatermachens bzw. Probierens, also im Wechsel von Angebot machen – Feedback geben – neues Angebot machen.“ (186)
Leitmotiv 8
Unterricht in Musik, Kunst und Theater in der Schule orientiert sich an …
… Ausdruck und ästhetischer Attraktivität als Qualitätskategorien.
Dies schließt ein, dass das Produkt des Prozesses, die Aufführung im Theater vor einen bestimmten Öffentlichkeit, einer weiterführenden Bewertung über das eigene ästhetische Urteil hinaus zugänglich gemacht werde.
In ihrem „Resümee und Ausblick“ fasst Dreßler nochmals die erarbeiteten Punkte zusammen. Dabei stechen als besondere Merkmale von ästhetischen Prozessen ihre Ambiguität und Widerständigkeit im Sinne der Konfrontation mit Neuem und Unbekanntem ins Auge. Betont wird der Vorzug der verschiedenen Lösungsmöglichkeiten im ästhetischen Tun, das sich manifestiere im Probieren und Zuschauen, im Beobachten und Spiegeln, im Feedbackgeben, im überarbeiteten oder Neu-Entwurf eines Angebotes und in der kontinuierlichen Bewertung der Qualität, also in einem kontinuierlichen kontingenten Verbesserungsprozess.
Ungelöst bleibt der Widerspruch zwischen der Ablehnung des Kompetenzbegriff und die Forderung nach Qualität durch die Teilnehmer der Tagung und der gleichzeitigen massiven Forderung nach Bewertung der ästhetischen Qualität. Das Eine ist aber ohne das Andere nur schwer denkbar. Dieser Widerspruch sollte noch aufgelöst werden.
Weiterführendes
- Hentschel, Ulrike/ Hilliger, Dorothea 2015: Theater probieren. Überlegungen zu einer Didaktik des Schulfachs Theater. In: Zeitschrift für Theaterpädagogik. Korrespondenzen. Heft 66. Uckerland: Schibri: 21-25
- List, Volker 2014: Kursbuch Theater machen. Stuttgart: Klett
- List, Volker 2017: Die Kunst Theater zu lehren. Didaktik für Theater und Darstellendes Spiel. Hüttenberg: Angewandte Theaterforschung > https://angewandte-theaterforschung.de/vita/
- Ritter, Hans Martin 2017: Rezension von: Barth, Dorothee (Hg) 2016: Musik. Kunst. Theater. In: Zeitschrift für Theaterpädagogik. Korrespondenzen Heft 70. April 2017 Uckerland: Schibri: 67
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