#nextlevel – Theaterpädagogische Sichten auf den digitalen Transformationsprozess in der Gesellschaft – 14. – 15. Februar 2020, Eisenach
Die Fachtagung diskutiert die Frage, wie sich die Theaterpädagogik im Kontext von Digitalisierung verortet und welche Rolle sie einnimmt, um den digitalen Wandel in der Gesellschaft aufzugreifen und mitzugestalten.
Den Auftakt bildet ein praktischer Workshop, in dem Jugendliche Spielregeln und interaktive Storylines für kurze Theater-Games entwickeln.
In Impulsbeiträgen wird der Einfluss der Digitalisierung auf die Kulturelle Bildung vorgestellt und die digitalen Kommunikationsformen in der theaterpädagogischen Praxis beleuchtet. Vorgestellt werden methodische Zugänge, wie z. B. Computerspiele als Grundlage von theatralen Erzählformen.
Auf dem Schwarzmarkt des Wissens (nach Hannah Hurtzig) bieten Expert*innen ihr Know-How zum Thema Digitalisierung an. Die Teilnehmer*innen der Fachtagung als Wissensträger*innen sind eingeladen, ihre Erfahrungen und Beobachtungen zu teilen.
– Dr. Volker List steht als Experte für Beratungen auf dem „Schwarzmarkt des Wissens“ zur Verfügung. –
Eine kleine Einführung:
Die Geschichte – Neudeutsch: das Narrativ – vom modernen Menschen
Sie steht morgens auf, geweckt von sanftem Meeresrauschen durch ihren Ohrstöpsel, der so gut passt, dass sie ihn gar nicht mehr rauszieht. Eine in zartem Rot leuchtende Wand und die Decke ihres Schlafzimmers erinnern an einen Sonnenaufgang. Die Schlaf-App hat durch nächtlich-kontinuierliche Messungen von Puls, Blutdruck und Hautwiderstand und aus der Analyse der REM-Phasen ein Muster unruhigen Schlafs errechnet. Auf der Basis dieser Mustererkennung, der Diagnose, gibt der programmierte Algorithmus eine Handlungsanweisung als Therapie aus: Die Guten-Morgen-App leitet einen äußerst sanften Weckvorgang ihrer Userin ein.
In der Küche steuert inzwischen die Frühstücks-App des Smart-Homes die Frühstückszubereitung – nach Abfrage der Blut- und Morgen-Urin-Werte ihrer Userin, die sie durch Vernetzung mit ihrer Gesundheits-App erhält. Sie entscheidet sich für ein entsprechend abgestimmtes Müslis zur Pufferung ihrer erhöhten Natriumwerte. Die Nachrichten-App nutzt die Vernetzung mit allen anderen Apps des Smart-Environmentals und sucht auf der Grundlage ihres Nutzungsverhaltens von Social-Media-Plattformen für ihre Userin einen Kanal, der nur positive Ereignisse des Weltgeschehens bringt. Die App instruiert überdies das Autoradio einen passenden Musikkanal vorzuwählen, der sich beim Einsteigen ihrer Userin automatisch einschaltet. Zur Arbeit lotst sie die Wegstrecken-App über einen kleinen Umweg auf einer weniger befahrenen Strecke durch ein schönes Wald- und Wiesengelände. Den erhöhten Zeitbedarf und das spätere Erreichen des Arbeitsplatzes teilt die Gesundheits-App selbstständig ihrem Chef bzw. der Tageskalender-App in der Firma mit. Sie kalkuliert durch Messwerteabgleich überdies, dass die möglichen negativen Folgen dieses Zuspätkommens weniger stark ins Gewicht fallen als der gesundheitsfördernde kleine Umweg durch ein kleines Stückchen schöne Landschaft und seine beruhigende Wirkung. Überdies bereitet ihre Work-Life-Balance-App ein Abend-Unterhaltungsprogramm vor, das einen positiven Einfluss auf ihr Schlafverhalten prognostiziert. In der Nacht erfährt die Krankenkasse durch die digitale Vernetzung, den selbstständigen Austausch von Informationen unter Rechnern, von dem schlechten Schlaf der Userin und macht ein Fragezeichen hinter ihren Jahresbeitrag mit einem Beobachtungsvermerk. Die Kfz-Versicherung registriert eine ruhige Fahrweise und schreibt ihrer Userin 2 Punkte auf ihrem Konto gut. Bei Erreichung einer bestimmten Anzahl von Plus-Punkten wird sich die Versicherungsprämie ihres Autos reduzieren.
Immer häufiger beschleicht die Userin das Gefühl, dass ihr ihre Authentizität zwischen den Fingern zerrinnt, obwohl sie seit drei Wochen an dem Podcast „Be yourself!“ teilnimmt. In ihr breitet sich ein dumpf-zwiespältiges Gefühl aus: Auf der einen Seite eine gewisse Sorglosigkeit. Auf der anderen Seite nagt aber etwas an ihrem Ego; so etwas wie ein Alter-Ego, das sie umgibt, seit der digitale Transformationsprozess die ganze Gesellschaft erfasst hat. Es ist, als ob sich eine übermächtige, sorgende Amme mit kräftigen Armen über sie beugt und genau weiß, was für das Kind gut ist. Ja, die es sogar besser weiß als das Kind selbst. Eine Über-Authentizität?
Screenshot aus dem Ankündigungs-Flyer der Veranstalter > https://bag-online.de/aktuell/Ausschreibung_nextlevel_Ankuendigung.pdf
Weiterführendes
- Boeing, Niels 2020: Rechnet mit allem. In: ZEIT Nr. 7 vom 06.02.2020 Seite 37-38 > Sehr gute Erklärungen von Bits, Bytes und Qubits und welche Probleme es bei Quantencomputern gibt
- Herber, Benedikt 2020: Wie fühlt sich Utopie an? In: ZEIT Nr. 7 vom 06.02.2020 Seite 56 > Aktionskünstler macht Innenstadt autofrei durch geschickte Nutzung der Digitalisierung
- Krüger, Paul-Anton 2020: Mensch vs. Maschine. Künstliche Intelligenz könnte die Kriegführung revolutionieren und das globale Machtgefüge verändern. Doch ihr wohnt ein Dilemma inne. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 36 vom 13.02.2020, Seite 10 > KI ist nur „mechanisiertes Denken“
- Staatstheater Hannover: PODCAST Theater. Thesen. Träume. Folge 1: Analoges Erleben. Folge 2: Gegenrede: Don’t cry, work! Folge 3: Die alte Kuh Theater > https://staatstheater-hannover.de/de_DE/programm/podcast.1272806
In Spiel & Theater ist ein ausführlicher Artikel über die Tagung erschienen > PDF > Spiel&Theater Heft 205 Oktober 2020 Volker List 0-1-0-1 … wie kann daraus Theater werden?
Siehe auch:
https://angewandte-theaterforschung.de/theater-4-0-grenzenlose-digitale-vielfalt/
https://angewandte-theaterforschung.de/theater-4-1-digitale-authentizitaet/
und
https://www.youtube.com/watch?v=gNWfu8GEhek&t=4s
https://www.youtube.com/watch?v=Rr2AANPdb2Q&t=1s
https://www.youtube.com/watch?v=7jfF7G72_LY
https://www.youtube.com/watch?v=s9qyqSuJU_w
https://www.youtube.com/watch?v=C1d0uZS88k0
Weiteres Material zum Herunterladen: Handout Einschätzungen Handlungsanweisungen Eisenach
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