Hess, Christiane 2012: Theater unterrichten – inszenieren – aufführen mit CD. Sekundarstufe I und II. Schritt für Schritt vom ersten Treffen bis zur Premierenfeier. 120 Seiten – Rezension
Hess will mit ihrem Buch konkrete Hilfen für die Theaterarbeit von Spielleitern mit Menschen im Alter von 8 bis 82 Jahren und insbesondere ein Angebot für den Theaterunterricht in der Sekundarstufe 1 und der Sekundarstufe 2 machen.
Im Kapitel über „Grundsätzliches“ entfaltet sie keinen breiten Diskurs über die Bildungsmöglichkeiten des Theaterspielens und weitere theoretische Vorüberlegungen, sondern belässt es bei dem Hinweis, dass kaum etwas erfüllender und lohnender ist, als nach Monaten der Arbeit einen tosenden Applaus für ein gemeinsam in einer Gruppe erarbeitetes Theaterstück zu empfangen (vgl. 7) und dekliniert von Anfang bis Ende den Arbeitsprozess des Theatermachens bis zur Aufführung durch, wobei ihr Leitfaden in sehr vielen konkreten Hinweisen besteht, was ein Theaterlehrer tun muss, soll und kann. Ihre große Menge an Empfehlungen und Ratschläge gründen dabei auf eine umfängliche Praxiserfahrung als Schauspielerin und Regisseurin.
Insofern stehen ihre theoretischen Implikationen zwischen den Zeilen bzw. werden aus der Struktur ihres Konzeptes abgeleitet.
Von Anfang an empfiehlt Hess dem Spielleiter, die Arbeit rahmenden Rituale (Begrüßungsrunde, Aufwärmen, … reflektierende Schlussrunde) am Anfang und Ende der Probenarbeit einzuführen und bis zur Aufführung durchzuhalten. Es gelte, das Beste aus den Spielern heraus zu holen und zu Höchstleistungen zu bringen. Entscheidend sei dabei kein natürliches Talent, sondern im Wesentlichen der Erwerb von „theaterhandwerklichen Fähigkeiten.“ (14) Hess durchschreitet den gesamten Prozess der Stückeentwicklung Schritt für Schritt. Ihr roter Faden sind dabei sehr detailreiche und konkrete Empfehlungen und umfangreiche Übungsbeschreibungen für die Hand des Lehrers, wie sie sich aus ihren umfänglichen Erfahrungen als praktikabel herauskristallisiert haben. Am Ende einer Einführungsphase sollten allen Spieler die Grundbegriffe des Theaters geläufig sein, damit sie alle dieselbe Sprache sprechen. Ein Ensemble sei immer nur „so gut, wie der schwächste Spieler.“ (25) Der Chronologie eines Inszenierungsprozesses folgend beschreibt Hess zu Beginn den Start eines Projektes und auf was der Spielleiter achten muss. So sei es wichtig, gleich zu Beginn eine vertrauensvolle Atmosphäre und ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen und für alle sichtbar herauszufinden, welche Kompetenzen jeder Einzelne mitbringe. Das erleichtere später die Rollenzuweisung. „Bei der Verkündigung der Besetzung sind die Gründe dann für alle nachvollziehbar und es wird erfahrungsgemäß keine Klagen über die Vergabe vermeintlicher Haupt- oder ‚nur’ Nebenrollen geben.“ (20) Hier wird Hess’ Theaterverständnis in Bezug auf das Rollenkonzept bereits deutlicher, das sie im Folgenden weiter entfaltet und durch entsprechende Übungen ausdifferenziert. Es wird dabei sichtbar, dass sie sich an einem eher naturalistischen Rollenkonzept, wie es im trafitionellen, professionellen Theater gepflegt wird, orientiert. Überdies sei dem gegenseitigen Beobachten und voneinander Lernen eine große Bedeutung zuzuschreiben. Ein Publikum sei immer auch Mitspieler, weil sich Spieler und Publikum gegenseitig beeinflussten. Eine Probe diene dazu etwas auszuprobieren und diese Funktion des Theaters zu beachten.
Im Folgenden dekliniert Hess die Mittel des Theaters Kapitel für Kapitel durch: Gestik, Mimik, Körpesprache, Lautstärke und Sprechen, Spieler auf der Bühne, Rhythmus und timing, Spielfreude und Energie, Stückeauswahl, Stückebearbeitung, Rollenbesetzung und Textlernen, Ausstattung usw. Da Hess explizit ein Lernangebot für den Unterricht in der Mittel- und Oberstufe an Schulen macht, wäre zu erwarten, dass eine Anbindung des Konzeptes für Theaterunterricht an die bestehenden Curricula erfolgt. Das ist nicht der Fall.
Im Kapitel „Gestik – Mimik – Körpersprache“ wird Hess’ Theaterverständnis, das ihrer Unterrichtskonzeption zugrunde liegt, weiter ausdifferenziert, wenn sie fordert, dass die „ Darsteller in ihrem Körperausdruck zwar übertreiben, aber dennoch wahrhaftig spielen nicht vorspielen. Dies trifft ebenfalls auf die Mimik zu, die zwar ausdrucksstark, aber nicht grimassierend sein sollte. […] Für eine überzeugende Darstellung muss der Körperausdruck ihrer Spieler wahrhaftig sein. Achten Sie und Ihre Gruppe deshalb darauf, sich keiner Klischees zu bedienen.“ (39) Dieser nicht ganz klaren Setzung folgt ein Übungsprogramm, das die einzelnen Ausdrucksmöglichkeiten bewusst machen und trainieren. Dabei fällt immer wieder auf, dass die Elemente des theatralen Handwerks auf der Ebene einer Regisseurs-Ansage (Hess ist primär Regisseurin und inzeniert Stücke) abgehandelt werden. Das Problem, dass Amateure anfangs noch nicht verinnerlicht haben, dass sie immer für ein Publikum spielen, und deshalb beim Sprechen und Spielen dem Publikum zuweilen den Rücken zukehren, soll mit dem Zuruf „Rücken!“ gelöst werden, nicht mit Übungen der Gruppe, bei denen sie immer wieder variationsreich trainieren, dass sie mit ihren Spielpartnern für ein Publikum spielen und diese Haltung auf Dauer erinnerlichen. Ein klares und hilfreiches Beispiel für eine solche Übung beschreibt Werntgen ( In: Spiel & Theater Oktober 2016)…). Auch hilfreich sind Zuweisungen an rotierende Ensemblemitglieder, sich immer wieder während der Proben als „Regieassistent(en)“ mit konkreten Beobachtungsaufgaben auf Zuschauerplätze zu setzen und häufig Feedback zu geben. Dieses Verständnis von Theater bzw. theaterpädagogischer Arbeit zeigt sich in der konkreten Arbeitsweise durchgängig bis zur Aufführung. Selbstverständlich werden dabei auch mehrere Probenwochenenden fest eingeplant. Eine noch genauer zu befragende häufig und explizit aufgestellte Forderung auch für den zweistündigen regulären (Theater-)Fachunterricht als Nebenfach.
Die sekundären theatralen Mittel wie Musik und Geräusch, Kostüm, Schminke usw. werden in wenigen Zeilen kurz abgehandelt und beschränken sich beispielsweise bei Musik und Geräusch i.W. auf die Empfehlung, dass „live erzeugte Musik oder Geräuche, die Szenen oder Aktionen untermalen und mit denen die Spieler interagieren, […] jedoch hinreißende Stimmungen und Bilder kreieren“ können. (105)
Fazit
Hess stellt mit der Beschreibung ihrer Arbeitsweise einen großen Fundus an Erfahrung als Regisseurin im Amateurtheater zur Verfügung beschreibt sehr pragmatisch bis in die kleinsten zu erwartenden Probleme die Prozesschritte einer Inszenierung, die sich in der Gesamtkonzeption orientiert an Mustern des traditonellen professionellen Theaters.
Sehr hilfreiche für Menschen, die wissen wollen, auf was sie sich einlassen, wenn sie sich mit einer Amateurgruppe im freien Theater als Spielleiter versuchen wollen. Ergänzt werden sollte die Lektüre von Hess‘ gesammelten Erfahrungen beim Inszenieren durch Konzeptbeschreibungen für Theaterunterricht, die neben dem traditionellen Inszenieren auch offenere Formen der theaterpädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ermöglichen (vgl. u.a. die Arbeit des Theaters an der Parkaue).