Postdramatik im Jugend- und Schultheater
Karl-Heinz Wenzel hat 1990 das Projekt B.E.S.T. (Bremens Erstes Schulübergreifendes Theater) entwickelt und bereits in den frühen 1990er Jahren – als noch niemand von Postdramatik sprach – im Schultheater mit postdramatischen Methoden gearbeitet. Im Interview erzählt der Theaterprofi und Theaterlehrer von seiner Arbeit und warum er postdramatische Methoden für sinnvoll für das Schultheater hält. Ausschnitte aus seiner 23. Produktion „ZIELsicher-ZIELsucher“ illustrieren das Ergebnis seine Arbeitsweise.
Während in den Theatern des Landes weiter fleißig die Klassiker gespielt und die bürgerlichen Dramen naturalistischer Prägung ungebrochen die Spielpläne füllen, wird die Theater-Diskussion weitgehend dominiert mit dem, was Lehmann 1999 als Post-Dramatik bezeichnete und wesentlich von den Gießenern Angewandten Theaterwissenschaftler mit beeinflusst wurde; wohlgemerkt von Wissenschaftlern, nicht Schauspielern, Dramaturgen und Regisseuren.
Der Trend ist inzwischen nicht nur im Schultheater angekommen, sondern zeigt sich dort bereits als dominierendes Format. Siehe dazu beispielsweise die Dokumentation zum Schultheater der Ländern 2013 in FOKUS Schultheater Heft 13.
Karl-Heinz Wenzel hat in einigen Aufsätzen seine Arbeitsweise breiter aufgefächert und weiter entwickelt und Anregungen zum Nachmachen in Theaterklassen und -kursen gegeben. In seinem Aufsatz „Ein ‚postdramatischer DREIAKTER‘ in Kurzform“ beschreibt er auf nur zwei Seiten, wie man in kürzester Zeit mit Hilfe der beschriebenen Methode zu einem etwa 20-minütigen Stück kommt.
Hier eine Kurzfassung:
Nach der Festlegung eines Themas werden in drei Kleingruppen jeweils Standbilder für die Einleitung, für den Höhepunkt und für den Schluss erarbeitet.
Im zweiten Schritt präsentieren die Kleingruppen allen anderen diese Standbilder. Dabei legen die Zuschauer den Akteuren assoziierte Aussagen in den Mund.
Im dritten Schritt erhalten die Standbildakteure Impulse durch verschiedene Techniken (chorische Gestaltung, Körperisolationen usw.) und Kompositionsmethoden (Wiederholung, Steigerung, Verdichtung usw.).
Die Standbilder werden lebendig und es entwickeln sich Situationen und Szenen. Diese können weiter ausgestaltet werden durch literarische Texte durch Reaktionen der Akteure auf diese (Regie-)Impulse von außen, durch unterschiedliche Kontaktaufnahmen mit anderen Akteuren usw.
Auf diese Weise wird nicht eine Geschichte von wenigen Hauptprotagonisten, sondern es werden – „im besten postdramatischen Sinne – mehrere Geschichten gleichzeitig parallel erzählt.“
Siehe auch das lesenswerte Themenheft „Postdramatik“ der Zeitschrift Schultheater und Roth-Langes Interview:
Roth-Lange, Friedhelm: Postdramatik im Theater-Unterricht (Interview)
Weiterführende Hinweise
- Bundesverband Theater in Schulen e.V. (BV.TS) (2014): Bilder. Theater. FOKUS Schultheater. Zeitschrift für Theater und ästhetische Bildung. Seelze: Friedrich Verlag
- Lehmann, Hans-Thies (1999): Postdramatisches Theater. Frankfurt/M: Verlag der Autoren
- Pflug, Tobias (2015): B.E.S.T. Bremens Erstes Schulübergreifendes Theater wird fünfundzwanzig. Eine Hommage. In: Hentschel, Ulrike u.a. (Hg): Zeitschrift für Theaterpädagogik Heft 66, 2015.Uckerland: Schibri: 48f
- Stegemann, Bernd (2013): Kritik des Theaters. Berlin: Theater der Zeit Verlag
- Wenzel, Karl-Heinz (2006): Theater in B.E.S.T.-Form. Plädoyer für ein anderes Jugendtheater. Deutscher Theaterverlag: Weinheim
- Wenzel, Karl-Heinz (2011): B.E.S.T.-Das Praxisbuch. Eine exemplarische Projektbeschreibung in 10 Phasen. Deutscher Theaterverlag: Weinheim
- Wenzel, Karl-Heinz (2014): Ein „postdramatischer DREIAKTER“ in Kurzform. In: Spiel&Theater Heft 193, April 2014. Deutscher Theaterverlag Weinheim
- Wenzel, Karl-Heinz (2013): Von der Imitation der Realität zur Realität des Theaters. In: Spiel&Theater Heft 192, Oktober 2013. Deutscher Theaterverlag Weinheim
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