Zukunftsinstitut (Hg) 2017: Playful Business. Frankfurt/M. 111 Seiten – Rezension
Matthias Horx und sein Autorenteam untersuchen Entwicklungsprozesse in Gesellschaften und gehen der Frage nach, aufgrund welcher Impulse und Einflussgrößen sich Trends bilden und verändern. Mit diesem methodischen Vorgehen betreiben sie keine Wahrsagerei mit der Kristallkugel, sondern liefern dem interessierten Leser Prognosen über zukünftige Entwicklungen und geben Empfehlungen für wünschenswerte Veränderungen.
In diesem Band untersuchen sieben AutorInnen die Möglichkeiten des Spielerischen in der Gesellschaft, Organisationen und Unternehmen und gehen ihren wirkungsvollen Triebkräften auf die Spur. Es zeigen sich erstaunlich viele Parallelen zu einer Didaktik für Theater.
Inhalt
- Christian Schuldt: Playful Human – Mehr Spiel wagen, S. 8-19
- Carl Naughton: Playful Mind – Das Spiel im Kopf EXKURS I, S. 20-23
- Christian Schuldt: Playful Society – Die Spielräume der vernetzten Gesellschaft, S. 25-33
- Lena Papasabbas: Ausweitung der Spielzone EXKURS II, S. 34-39
- Silke Seeman: Playful Business: Spielerisch zum Erfolg, S. 44-51
- Janine Seitz: Playful Leadership: Loslassen ist das neue Führen, S. 52-55
- Florian Kondert: Playful Collaboration: Let’s play together, S. 56-59
- Carl Naughton: Psychologal Safety: Weniger Angst, mehr Spielfreude EXKURS III, S. 60-61
- Janine Seitz: Playful Innovation: Spielerische Erneuerung, S. 62-69
- Florian Kondert: Playful Learning: Learn to play – play to learn, S. 70-73
- Janine Seitz: Playful Recruiting: The talent game, S. 74-79
- Janine Seitz (Mitarbeit: Katharina Herbold): Playful Marketing: Das Spiel mit den Konsumenten, S. 80-85
- Philipp Reinartz: Ganzheitliches Game Design EXKURS IV, S. 86-91
- Christian Schuldt: Spiel(en) in der nächsten Gesellschaft, S. 92-103
- LITERATURVERZEICHNIS
- BILDQUELLEN
In welche Richtungen sich Gesellschaften entwickeln und entwickeln sollten, und was den Menschen zum Menschen macht, ist die Ausgangsfragestellung, die dringlicher denn je geworden sei, so Schuldt.
Das mechanistisch-technizistische Konstrukt des Menschen als Homo oeconomicus – rational, egoistisch, utilitaristisch – ist in Anbetracht der zunehmenden Vernetzung, Unübersichtlichkeit der kommunikativen Vielfalt und der Bestimmung des menschlichen Verhaltens durch Automatisierung und Algorithmisierung, der rasant sich weiter öffnenden Armuts-/ Reichtumsschere, der Untertanmachung der Erde bis zur Selbstvernichtung, obsolet geworden.
Achtsamkeit, soziale Resonanz, Emotion und Empathie werden im Gegenzug um so bedeutsamer. Dabei kommt der vergessene Homo ludens wieder ins Spiel, die freie kreative Selbstentfaltung und die Erfahrung von Sinnhaftigkeit.
„Selbstwerdung statt Selbstoptimierung: Der Mensch ist seinem Wesen nach ‚Möglichkeit’. Er ist angetrieben von dem Wunsch, sich in der Welt auszudrücken, schöpferische Impulse zu geben und kreativ zu wachsen. Miteinander statt Gegeneinander: Der Mensch ist im Kern ein Zoon politikon, ein soziales und kommunikatives Wesen. Wichtiger als das Konkurrenzdenken des Homo oeconomicus sind die Begegnung mit anderen und Erfahrung sozialer Resonanz. Im Grunde ist der Mensch also nur dann wirklich und eigentlich Mensch, wenn sein Dasein auch anders sein kann, wenn ihm soziale Spielräume zur freien Entfaltung gegeben sind.“ Mit „Playful Gamifikation“ (102) fasst Schuldt das zusammen, was seit altersher schon immer größtenteils das Theaterspielen leistet.
Im Vorwort wird betont, dass Spiel „elementarer Bestandteil und Treiber der symbolischen Kultur des Menschen“ ist und diese Kernaussage des niederländischen Kulturhistorikers Johan Huizinga (1872-1945) in seinem Werk „Homo ludens“ aus dem Jahr 1938 immer noch Gültigkeit habe, obwohl sich das Umfeld radikal durch Digitalisierung und Vernetzung verändert habe. Es ist eine unübersichtliche, volatile Realität entstanden, „die neuen Spielregeln folgt – und in der das Spiel radikal an Relevanz gewinnt. Mehr noch: „Playfulness“ wird zu einer neuen Handlungsmaxime für Organisationen. Denn die vernetzten Kommunikationstechnologien des 21. Jahrhunderts bilden die Grundlage für die Entstehung ganz neuer Spielformen des Wirtschaftens – und erfordern deshalb von Organisationen spielerische Kompetenzen.
In den vergangenen Jahren kristallisierte sich diese Entwicklung verstärkt um das Trendwort ‚Gamification’“ heraus. Das ‚alte’ Verständnis müsse aber enttrivialisiert und der Blick geöffnet werden „für eine neue, positive Vision der Verspieltheit: eine ‚Playful Gamification’, die game und play übergreift und mehr Flexibilität und Beweglichkeit ermöglicht – intellektuell, emotional, organisational.“ So könne sich die Kraft entfalten, die in zukünftigem Wirtschaften zum bedeutsamsten Erfolgsfaktor werde: Playfulness. (5)
Christian Schuldt: Playful Human – Mehr Spiel wagen, S. 8-19
Gamification entpuppte sich schnell im Business als „marketing bullshit“ (Bogast 2011[1]), so Schuldt. Denn allzu oft ziele Gamification lediglich darauf ab, Menschen „mit simplen Spielmechanismen möglichst effizient zu mehr Konsum oder Effizienz zu triggern.“ (10) Dann werde Gamification zur ‚Pointsification’, die auf eine schnelle Nutzenmaximierung fixiert sei und auf die Optimierung beliebiger Aktivitäten durch „spielerische“ Belohnungssysteme abziele. Kunden oder Mitarbeiter sollten auf kurzfristig wirkungsvolle, aber tendenziell oberflächliche Weise manipuliert werden können.
Es bleibt das auf der Strecke, was z.B. auch Einstein meinte, wenn er im Spiel die höchste Form der Forschung gesehen habe: Das „Spielerische, das Explorieren und das Experimentieren mit Möglichkeiten.“ (12) Das seien die Zutaten, die jedes gute Spiel elementar ausmachten und „eine tiefere, nachhaltigere Motivation schaffen“ könne. (12) Überdies seien dies die Themen und Fähigkeiten, die im Zentrum der digitalen Transformation stünden und in einer vernetzten Welt unerlässlich seien: „Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit, Kreativität und Experimentierfreudigkeit, Komplexitätsaffinität und Unsicherheitskompetenz.“ (12)
Schuldt stellt drei Fragen ins Zentrum seiner Untersuchung:
- „Was macht ein gutes Spiel aus, und was macht das Spiel mit uns?
- Wie entsteht die Freude am Spiel, und wie kann dieser genuin menschliche Wesenszug wieder stärker zur Geltung gebracht werden?
- Wie lassen sich „Spielräume“ gestalten, die unserem Spieltrieb gerecht werden, ohne ihn ‚mechanistisch’ zu trivialisieren und auszunutzen?“ (12)
Schuldt rekurriert in seiner Untersuchung auf den französischen Soziologen und Philosophen Roger Caillois (1913–1978), der zwischen Paidia und Ludus unterschied, die zugleich den Wesensunterschied zwischen play und game spiegeln:
Paidia bezeichne demnach den menschlichen Spieltrieb: „die freie, neugierige, explorierende Rekombination von Verhalten, Aktionen, Bedeutungen – und damit auch die kreative Erkundung von Möglichkeitsräumen und Innovationspotenzialen.“ (13) Prototypisch manifestiere sich das Paidia-Prinzip im kindlichen Als-ob-Spiel.
Ludus bezeichne das regelgebundene Spiel, „das zielorientierte Überwinden von Herausforderungen, das meist im etappenweisen Erwerb einer bestimmten Geschicklichkeit oder ‚Meisterschaft’ ende. Prototypisch bewirke der Effekt beim Spieler einen „Wettkampf mit sich selbst“ (Caillois: 38[2]).
„Wie also können sich,“ fragt nun Schuldt, „play und game, Paidia und Ludus, wechselseitig befruchten, ohne in die ‚alten’ Gamification-Fallen zu tappen? Wie kann ein geregeltes Spiel echte Spielfreude entfalten, wie können spielerische Strategien die Emergenz von Playfulness bewirken? Wegweisend erscheint ein umfassenderes, hybrides Spielverständnis, das play und game übergreift und die Schnittmengen ganzheitlich neu beleuchtet: eine Playful Gamification.“ (13)
Schuldt entfaltet an einem einfachen Beispiel aus der Schule, dem „Pauken aus mechanischer Pflichterfüllung mit anschließendem Vergessen“ auf der einen Seite und der „aktiven Auseinandersetzung mit Themen, die persönlich und subjektiv berühren.“ (13) Nur diese schaffe nachhaltige und kreative Lernerfolge. Wichtig sei es, Werkzeuge anzubieten für Themen, die Menschen wirklich bewegten. Insofern liege der Fokus auf persönlichem Wachstum. Zusammen mit dem Flow-Phänomen bildeten sie eine „Art Grundschnittmenge zwischen play und game, aus der sich die weiteren Elemente einer Playful Gamification“ ergäben. (13)
Der Mensch, so Scheldt, sei inhärent darauf ausgerichtet, sich persönlich zu entfalten und weiterzuentwickeln. Motiviert sind sie am stärksten, wenn sie sich selbst Ziele setzten, um dann ergebnisorientiert handeln zu können. Ziel eines „echten“ Spiel sei es, nicht in erster Linie, besser zu sein als ein Anderer, das werde eher durch die Gewinnlogik des games befeuert. Es gehe vielmehr und grundsätzlich darum. „das Beste aus sich selbst herauszuholen und persönliche Potenziale zu entfalten.“ (15) Essenziell notwendig sei dafür ein Freiraum, ausprobieren und experimentieren zu können und seine Kompetenzen ausbauen zu können. Am stärksten könne das Spielerische seine Wirkung entfalten, wenn es Lernenden nicht übergestülpt, sondern „klug mit persönlichen Herausforderungen kombiniert“ werde. „Echtes“ Spielen könne nur ohne externen Druck initiiert werden und ermögliche soziale Resonanzerlebnisse mit anderen Menschen. Grundbedingungen dafür seien „Vertrauen und Sicherheit: Denn nur, wenn Menschen sich sicher fühlen, trauen sie sich auch zu spielen.“ (15)
Das Hirn sei eher ein Spielzeug als eine Rechenmaschine. Deshalb gehe Spielen stets einher mit einem lustvollen Empfinden und massiven Dopaminausschüttungen – die zugleich eine hohe Bereitschaft erzeugen, sich über längere Zeiträume zu fokussieren und zu konzentrieren. Der Mensch gerät in einen Flow, einen hochkonzentrierten Zustand des Glücksgefühls. Flow sei demnach der Grundmodus des Lernens (vgl. auch Sacher 2012).
Diese hochgradig fokussierte Aufmerksamkeit und „Selbstvergessenheit“ mache Menschen „entspannt, kreativ, immun gegen Ablenkungen und offen für Neues – all das, was auch verbunden ist mit dem kindlichen Eintauchen in spielerische Parallelwelten.“ (15) Insofern bilde dieser Flow-Zustand eine zentrale Schnittstelle zwischen Spiel und Nichtspiel und damit zwischen Playfulness-Potenzialen und nichtspielerischen Kontexten. Es gehe zentral immer dabei um das In-Resonanz-zur-Welt-Sein und eine neue Qualität von Verbundenheit, sowohl mit der Umwelt als auch mit sich selbst, nicht primär um ökonomisch messbaren Ertrag.
Hier wäre ein Verweis zu machen auf das seit vielen Jahren in der Drogeriemarkt-Kette DM implantierte Theater-Modul in der Lehrlingsausbildung, in dem die Theater-Lehrkräfte explizit vom Firmenchef darauf hingewiesen werden, vollkommen frei mit den Jugendlichen zu arbeiten und deren persönlich-menschliche Entfaltung in den Mittelpunkt der Arbeit/ des Spiels zu stellen und keine rational-ökonomischen Ziele. Dort scheint man erkannt zu haben, was Scheldt in vier Aspekten zusammenfasst, die ein Play-Prinzip definieren: Autonomie, Exploration, soziale Resonanz und Bedeutsamkeit.
Autonomie meine, dass ein Spiel frei von Zweck und Druck sein müsse. Spielfreude könne nicht befohlen werden. Anreize von außen, als extrinsische Motivation gedacht – durch Belohnungssystem beispielsweise – könnten unter Umständen sogar die intrinsische Motivation schmälern. Als Beleg ließe sich hier der zumeist geringe Output des innerbetrieblichen Vorschlagswesens in Unternehmen über Geld- oder Sachprämien anführen.
Exploration meine, das Spielen immer Freiräume benötige zum Entdecken, Erkunden, Experimentieren und Erproben. Auf diese Weise würden Hirnverschaltungen erzeugt, die Kompetenzen entwickelten, die später in anderen Kontexten nützliche Verwendung finden könnten.
Soziale Resonanz meine die Teilnahme an gemeinschaftsstiftenden Aktionen, die angstfrei machten und Vertrauen aufbauten. Erst durch dieses kommunikative Geschehen ergebe sich die Freiheit zum Selbst-Sein.
Bedeutsamkeit meine, die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Tuns zu stellen.
Lernkontexte und Rahmenbedingungen, die ein hohes motivatorisches Engagement erzeugten, könnten die Spielfreude begünstigen. Insofern sei die Spielumgebung von zentraler Bedeutung. Playful Gamification, das Spielerische, benötige ein „Open Design, das Platz zum Improvisieren schafft, individuelle Erlebnisse wertschätzt und die spezifische Qualität eines ganzen Systems einbezieht.“ (18)
Im Zentrum eines systemischen Reframings stehe ein kritisches, kontextsensitives Verständnis von Transformation, „das nicht auf eine Veränderung im System zielt, sondern auf eine Veränderung des Systems selbst. Nicht mehr das fixe Resultat steht im Fokus, das es in einer bestimmten Zeit zu erreichen gilt, sondern das Explorieren und das spielerische Sich-Orientieren im Hier und Jetzt. Es geht ums Spiel, nicht ums ‚Ziel’“. (18)
Eine Playful Corporate Culture sei nicht denkbar ohne eine Reflexion der größeren gesellschaftlichen und soziokulturellen Kontexte. Im Optimalfall entsteht dann „ein achtsameres, zukunftsweisenderes und resilienteres Verständnis von Strategie und Business – und letztlich auch des Lebens selbst.“ (18)
Scheldt zeichnet am Ende seines Artikels die historische Entwicklung des Spiel-Begriffs nach.
Carl Naughton: Playful Mind – Das Spiel im Kopf EXKURS I, S. 20-23
Naughton differenziert die von Scheldt beschriebenen Motivationskräfte weiter aus in „ergebnisfokussierte“ und „prozessfokussierte“ Motivation und rekurriert auf die acht „Core Drives“ der menschlichen Motivation nach Chou 2015.
Das Modell vereine unter anderem Prinzipien des Konsums (Knappheit & Ungeduld) mit soziodynamischen (Sozialer Einfluss & Verbundenheit) und verhaltensökonomischen Kräften (Verlust & Vermeidung). Wie effektiv diese „Core Drives“ das Lernen tatsächlich verbesserten, wäre aber noch zu evaluieren. (20-21)
Den Wirkungserfolg des Spielens sieht Naughton darin, dass Spielstrukturen „große, komplexe Informationseinheiten in kleinere Spieleinheiten herunterbrächen, die leichter zu verarbeiten und besser zu behalten seien.“ (21) Verspieltes Lernen steigere das „Sich-Einlassen, ohne die Belastung des Arbeitsgedächtnisses zu strapazieren.“ (22) Die Untersuchung der Wirkungen des Spielens stehe neurologisch aber noch am Anfang.
Christian Schuldt: Playful Society – Die Spielräume der vernetzten Gesellschaft, S. 25-33
Schuldt wirft einen Blick auf die aktuellen Strukturen der vernetzten Gesellschaft und erkennt als ein Hauptmerkmal ihre Hybridität. Ihre Strukturen seien flexibel und bestünden oft auch aus widersprüchlichen Figurationen, auf die sich alle Akteure der Gesellschaft, also auch Organisationen, immer wieder neu einstellen müssten. Grund dafür seien die Verbreitungsmöglichkeiten digitaler Medien, insbesondere der sozialen Medien, die eine ganz neue Dimension der „Polykontexturalität“ eröffneten. (27)
Das „organische“ und hybride Weltbild der Netzwerkgesellschaft löse die vernunftorientierte Sicht der modernen Gesellschaft ab. „Die nächste Gesellschaft ist hochgradig widersprüchlich und komplex – und damit auch: playful.“ (27) Playfulness werde zur neuen Kernkompetenz.
Die Entwicklung von Playfulness bedeute aber nicht die Auslieferung an das Spielsystem, sondern eine Veränderung des Systems selbst. Sie bringe auch die künstliche und veränderbare Natur der Spielregeln ins Spiel – inklusive der Möglichkeit, diese zu verändern.
Dieser holistische Blick und ein systemisches Verständnis der Spielregeln sind unabdingbar für Organisationen – und ich möchte hinzufügen: gleichermaßen für Bildungssysteme – die die Potenziale einer vernetzten Wirtschaft erkennen und erschließen wollen.
Ein solches systemisches Mindset etabliert neue Systemlogiken, neue Spielregeln. Ihre Methoden zum immer schnelleren Adaptieren und Aushandeln heißen „Trial and Error“, „Learning by Doing“ oder „Rapid Prototyping“. (29) Playful Gamification helfe, „die eigenen Spielregeln zu erneuern und Routinen aufzubrechen.“ (31)
Aus dieser Mixtur erwachse eine spielerische Sicht auf die (Wirtschafts-)Welt und ein Verständnis der eigenen Rolle. Dies sei eine Voraussetzung, um das ganze Spiel mitgestalten zu können. Es gehe also um einen „kontrollierten Kontrollverlust“ (32), die Schaffung von Spielräumen für Selbstorganisation. Auf diese Weise könne eine Kultur des Vertrauens gedeihen, in der die Freude am freien Denken und Handeln gefördert werde: das Experimentieren in (Spiel-)Räumen, welche Platz für kreative Irritation böten. Eine Kultur des Vertrauens erlaube Beteiligten Einfluss auf organisationale Ergebnisse und ermögliche ihnen, ihre eigene Rolle im Kontext der aktuellen Situation zu erleben. „Es geht also um das, was Menschen auch am Spiel – am play – fasziniert: um echte Flow-Erlebnisse im spielerischen Miteinander.“ (32)
Mit all dem setze eine spielerische Kultur auf ein neues, hybrides Spielverständnis, das der veränderten, vernetzten Welt Rechnung trage, indem sie Ambiguitäten – ich möchte das erweitern durch Emergenzen – als elementaren Teil des Spielens wertschätze. Schließlich sei ein Spieler immer in zwei Welten präsent: in der „normalen Welt“ und in der „Spielwelt“. Und genau das ermögliche es ihm, sowohl die Regeln des Spiels zu erkennen als auch ihre prinzipielle Gestaltbarkeit (vgl. dazu u.a. Pfaller 2012). In einer zunehmend vernetzten Welt werde das Spiel mit den Möglichkeiten, das Explorieren und Experimentieren zum neuen Modus Operandi.
Scheldt versäumt es nicht, auf die Gefahren des Datensammelns im globalen System hinzuweisen und beschreibt die manipulativen missbräuchlichen Verwendungsmöglichkeiten und die Gefahren der Spielsucht, Ausbeutung, Überwachung und Konformisierung und Disziplinierung durch Gamification-Tricks.
Lena Papasabbas: Ausweitung der Spielzone EXKURS II, S. 34-39
Papasabbas untersucht in ihrem Beitrag die wichtigsten Trends in der Gaming-Industrie. Die Zahlen, die sie vorlegt, sprechen für sich und zeigen einen enormen Zuwachs an Produkten, Kunden, Fans und Followern in kurzer Zeit. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Gaming-Industrie ein „zentraler Technologietreiber ist.“ (34) Sie bediene ein Grundbedürfnis des Menschen: „Im Grunde sind wir alle Gamer.“ (39)
Silke Seeman: Playful Business: Spielerisch zum Erfolg, S. 44-51
Seeman untersucht die Spielregeln von Unternehmen und Organisationen. Diese könnten ein Unternehmen einengen, aber auch neue Chancen eröffnen. In stabilen Märkten hätten Unternehmen die klare Spielregel, Komplexität zu reduzieren. Mit zunehmender Vernetzung wachse jedoch die Komplexität in den Umwelten von Organisationen rasant und wer überleben wolle, müsse die eigene Komplexität ebenfalls erhöhen. Eine inzwischen entstandene undurchschaubare Möglichkeitenvielfalt erfordere neue Managementkompetenzen, um den „Möglichkeitenüberschuss“ mit spielerischen Zugängen produktiv zu nutzen. Dies transformiere diesen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel von etwas Bedrohlichem in eine Vielzahl von Chancen. (44)
Eine hohe Burn-out-Rate nicht nur in Managerkreisen sowie rapide steigende Psychopharmaka-Verschreibungen wiesen darauf hin, dass Menschen sich einer neuen Dimension von Stress ausgesetzt erleben. Dabei werde dieser Stress häufig deshalb ausgelöst, weil mit aller Energie versucht werde, das ehemals Gelernte – und nun nicht mehr oder nur noch bedingt Funktionierende – immer konsequenter und intensiver einzusetzen. Veränderungen machen Angst und führen zum Festhalten an Bewährtem. Unter veränderten Umwelten führt dies allerdings zum Untergang. Dieses Dilemma trete mittlerweile nahezu bei jedweder Entscheidung und unter kontingenten Bedingungen verstärkt auf.
„Die Paarung von Kontingenz (fast alles ist möglich …) mit Eigendynamik (… und nichts ist mehr zu ändern) lässt Führungskräfte erkennen, dass sie zwar immer noch das Steuer in der Hand halten, aber die Verbindung zu den zu steuernden Elementen verloren haben. Aus der alten Organisationslogik wird nach Verantwortlichen gesucht – und übersehen, dass die neuen Business-Ökologien anderen Gesetzen folgen: den Gesetzen des Spiels.“ (45)
Janine Seitz: Playful Leadership: Loslassen ist das neue Führen, S. 52-55
Seitz plädiert für neue Führungskompetenzen, die weniger mit der klaren Steuerung einer Organisation oder eines Teams zu tun hätten. In der vernetzten Ökonomie bräuchte es weniger Steuermänner, die den Kurs angäben, als vielmehr empathische Persönlichkeiten, die in der Lage sein sollten, sich in andere hineinzufühlen, um beste Bedingungen für Mensch und Organisation zu schaffen. Eine treffende Beschreibung für Lehrkräfte, meine ich!
Der britische Leadership-Experte Richard Barrett fordere deshalb ein neues Paradigma der Führungskultur: „’a shift from being the best in the world to the best for the world’“ (Barrett 2011[3]). (52) Es gehe nicht mehr um das Ich, sondern darum, das Wir-Gefühl in einer Organisation zu etablieren und zu fördern, denn die Wir-Prinzipien Kooperation und Kollaboration seien wichtige Elemente des Spiels. Im Spiel benötige es die Kompetenz, in verschiedene Rollen schlüpfen zu können: In einem Projekt sei man Projektleiter, in einem anderen Mitarbeiter, Beobachter usw. Dies wiederum bedeute, dass in einer Organisation oder einem Projekt letztlich alle Mitglieder, unabhängig von Hierarchie oder Erfahrungsgrad, Leadership-Skills benötigten. In der heutigen Arbeitswelt müsse jeder Mitarbeiter in der Lage sein, zumindest bis zu einem gewissen Grad selbstverantwortlich zu handeln. Es reiche nicht mehr aus, auf die Führungsqualität des Einzelnen an der Spitze zu vertrauen und dort Verantwortung und Entscheidungsmacht zu bündeln. In einer „Playful Organization umgibt sich eine Führungskraft deshalb nicht mit einer Gefolgschaft treuer Anhänger, sondern mit Menschen, die aktiv mitdenken und eigenständig Projekte voranbringen wollen. […] Playfulness eröffnet eine alternative Realität, in der alles auch anders sein könnte – einen abgesicherten Modus, in dem nichts unmöglich und alles erlaubt ist, in dem jeder den Umgang mit dem Unberechenbaren und Unvorhersehbaren trainieren kann. Mitarbeiter brauchen diesen Raum zum Experimentieren, um ihre Komfortzone und Routinen verlassen zu können. Das kann nur gelingen, wenn diese Experimente auch scheitern dürfen.“ (52-54)
Seitz sieht im Ansatz der sechs Werte von Warmelink 2013 hilfreiche Orientierungen für ein Playful Leadership:
- „Playful Leader lieben Komplexität und schaffen alternative Realitäten.
- Für Playful Leader ist keine Idee zu verrückt.
- Playful Leader lassen los.
- Playful Leader machen neugierig.
- Playful Leader erkennen an.
- Playful Leader nehmen sich selbst nicht zu ernst.“ (54-55)
Florian Kondert: Playful Collaboration: Let’s play together, S. 56-59
Kondert stellt drei Punkte in den Fokus seiner Untersuchung und entfaltet diese:
„1. Klare Zielvorgaben sind in einer hyperkomplexen Welt nicht mehr möglich. In Zukunft geht es immer mehr um Exploration statt Zielerfüllung.
2. Personen mit unterschiedlichem Background finden sich zusammen, weil sie eine Passion für eine Sache teilen.
3. In heterogenen, volatilen Teams ist das Wissen flüchtig. Wichtig sind deshalb Strukturen, die Talente und Fähigkeiten der einzelnen Teilnehmer optimal fördern.“ (56)
Carl Naughton: Psychologal Safety: Weniger Angst, mehr Spielfreude EXKURS III, S. 60-61
Naughton entfaltet die These: Nur wer sich sicher fühle, habe genug Spielraum für Offenheit, Kreativität und Innovationsfreude und überrascht mit der Aussage, dass die Fehlerquote in High-Performance-Teams deutlich geringer sei als bei weniger gut funktionierenden Teams. Naughton erklärt, warum dies so ist:
„Weil in den erfolgreicheren Teams die Mitglieder kein Problem damit hatten, ihre Fehler zuzugeben. Manche schienen über nichts anderes mehr zu sprechen. Das Erzählen und gemeinsame Durchdenken führte zu anschließender Leistungsverbesserung. Die anderen Teams kehrten ihre Fauxpas unter den Teppich: keine Fehlerkommunikation – kein Lernen. Der Grund, warum dieser Fehleraustausch gelingt, liegt in der Kultur: in einem Klima der Offenheit, des Vertrauens, der Angstfreiheit.“ (60) Das Klima, in dem eine entsprechende Fehlerkultur wachsen könne, zeichne sich aus durch Vertrauen und gegenseitigen Respekt.
Janine Seitz: Playful Innovation: Spielerische Erneuerung, S. 62-69
Seitz sieht im Selbstmanagement und in der Selbstorganisation wesentliche Voraussetzungen für Verantwortungsübernahme und Leistungsbereitschaft zur Herstellung eines „Human-Centered Designs“. (64)
In der Typologie der Mitarbeiter nach Chou werden ihre verschiedenen Merkmale herausgearbeitet und Verbesserungsmöglichkeit für mehr Kreativität beschrieben.
Kreativität benötigt nicht nur Regeln und Strukturen, sie benötigt in gleichem Maße die Möglichkeit, diese Regeln und Strukturen auch zu brechen.
Florian Kondert: Playful Learning: Learn to play – play to learn, S. 70-73
Kondert beschreibt den Nutzen, den Außensichten auf das eigene Tun besitzen. Diese Außersichten können ihre kreativen Impulse aber nur entfalten, wenn sie auf eine spielerische Umgebung treffen, die diese nicht als Bedrohung empfände.
Auch seien sogenannte Spielverderber sehr nützlich, „denn ‚playing with rules shows that rules can be changed’“, zitiert Kondert die Autoren Walz und Deterding.[4] (73)
Janine Seitz: Playful Recruiting: The talent game, S. 74-79
Seitz beschreibt die unterhaltenden Elemente in der Bewerberauswahl und den Einsatz für spielerische Zugänge zu einem ernsthaften Kontext. „Das Spiel kann also ein Engagement erzeugen, das den Spieler vergessen lässt, dass er Bewerber ist: Er kann sich auf das Spiel einlassen – und je mehr das passiert, umso ehrlicher verhält er sich.“ (74) Zahlreiche Unternehmen wie Daimler Trucks, Swarovski, die Citigroup oder Axa nutzten die Spiele bereits für die Talentsuche. Auch setzten immer mehr junge Spieleanbieter auf Playful Recruiting und vermittelten auf diese Weise eine neue Leichtigkeit bei der Jobsuche: „Sie schaffen neue Möglichkeitsräume für junge Talente, die keinen straighten Lebenslauf vorweisen können oder wollen.“ (78)
Talent Games setzten auf Autonomie und vermieden es, Spieler unter Druck zu setzen. Zudem böten sie Raum zum Entdecken und Ausprobieren. In Zukunft würden klassische Bewerbungsunterlagen mit Lebenslauf und Anschreiben sowie Einstellungsgespräche eine immer geringere Rolle spielen.
Janine Seitz (Mitarbeit: Katharina Herbold): Playful Marketing: Das Spiel mit den Konsumenten, S. 80-85
Seitz beschreibt in diesem Beitrag die Vorreiterrolle des Marketing für Gamification und die zahlreichen Fehler, die bei einem falschen Verständnis bzw. falscher Übertragung von Gamification entstehen. Gamification werde bei entsprechender Anwendung „zum Alpha und Omega des Marketings.“ (85)
Philipp Reinartz: Ganzheitliches Game Design EXKURS IV, S. 86-91
Reinartz geht der Frage nach, warum Gamification-Projekte so oft scheitern und wie Gamification gelingen kann. Der Schlüssel für ein gelingendes Gamification bestehe darin, aus einem „Must-do“ ein „Wanna-do“ zu machen und dabei vier Merkmale zu beachten: „Ziel, Regeln, Unvorhersehbarkeit, Vergnügen.“ (86)
Game Design müsse ganzheitlich gedacht werden: „nicht reduziert auf Punkte, Auszeichnungen und Ranglisten, sondern ausgerichtet auf den Spieler und seine Bedürfnisse.“ (88) Reinartz erläutert anschließend die fünf zentralen Schritte, die ein ganzheitlicher Prozess des Game Designs beinhalte. Kontradikdatorisch formuliert Reinartz am Schluss seines Beitrages „zwölf schlechte Ratschläge für ein Game Design, das garantiert scheitern wird. Wer diese Tipps auch nur teilweise beherzigt, ist auf dem besten Weg, ein richtig mieses Gamification-Projekt zu realisieren.“ (90)
Christian Schuldt: Spiel(en) in der nächsten Gesellschaft, S. 92-103
Schuldt will wissen, wie sich die zukunftsweisenden Technologien von heute auf die verspielte Welt von morgen auswirken werden. Im Mittelpunkt stehe dabei die Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Maschine. Er untersucht gesellschaftliche Entwicklung auch auf ihre Ambivalenzen. Er weist nicht nur auf die Gefahren der Vernetzung hin, die durch unreflektierte Plastizität des menschlichen Verhaltens auch einen simplifizierenden Umgang mit kommunikativer Komplexität fördere (Populismus, Fake News), sondern beschreibt auch die Chancen für eine spielerische Belebung der Demokratie, „für die Emergenz einer neuen ‚Wir-Gesellschaft’, für neue Spielfelder der Partizipation und Selbstorganisation.“ (103) Politik müsse darum „Spielräume schaffen und absichern und helfen, eine ‚Play Literacy’ zu fördern. Denn neue Spiel- und Reflexionskompetenzen sorgen nicht nur für zukunftsweisende Impulse, sondern immunisieren auch gegen Fake News, Filter Bubbles und eine ‚Captology’[5], die schnelles Handeln erleichtert und Reflexion erschwert.“ (103)
Schuldt sieht deshalb eine der großen gesellschaftlichen Zukunftsherausforderungen darin, „die Spielpotenziale, die von Natur aus im Menschen stecken, wieder stärker zur Entfaltung zu bringen“ (103) und hofft, dass die Erkenntnis wachsen wird, „dass im Fokus jedes Spiels der Mensch steht – und dass Playful Gamification nicht schlicht auf mehr Umsatz ziehen sollte, sondern auf mehr persönliche Bezüge und Bedeutsamkeit. Eben deshalb steht der menschliche Faktor – und damit einhergehend: eine mitarbeiter- und kundenzentrierte Kultur – im Zentrum digitaler Transformationsmaßnahmen.“ (103)
Letztlich verweise die Beschäftigung mit Spiel und Playfulness auch auf eine grundsätzlich philosophische Frage: „Was ist ein ‚gutes’, ‚richtiges’ Leben? Das alte aristotelische Konzept der Eudämonie – die selbstbestimmte und -genügsame Ausübung und Perfektion der inneren Kapazitäten – gewinnt dabei eine ganz neue Aktualität.“ (103)
„’As long as we work for the sake of play, or play for the sake of work, as long as we instrumentalise one for the other, rather than cherish each for the excellence we find in it, we are living the false life.’ (Deterding 2014, S. 326[6])“
Damit ist eigentlich das Wesentliche gesagt.
Darüber ist nachzudenken:
Zweck hin, Zweckfreiheit her, Business verfolgt einen Zweck und schaut sehr genau darauf, welche Mittel sich eigenen, die eigenen Ziele zu verfolgen. Am Ende steht immer eine irgendwie geartete oder verbrämte Profitmaximierung, kurzfristig, langfristig oder beides. Geschickt gemacht ist es, wenn sich die Beteiligten auch noch wohl dabei fühlen und sich in freier Einwilligung an der Sache beteiligen (Koalition- und Vertragsfreiheit) und sich natürlich möglichst mit der Unternehmung identifizieren und natürlich ihr Bestes geben und maximale Leistung im Sinne der Unternehmensziele abrufen und ihre Leistungsfähigkeit möglichst auch selbst langfristig sichern.
Am Interessantesten an dieser Publikation finde ich die Tatsache, das in sehr präziser Weise das zusammengetragen ist, was ein guter Lehrer längst durch Studium, intuitiv und Erfahrung erkannt hat und weiß, wonach er seinen Unterricht plant und durchführt.
Ärgerlich für den Leser ist das wohl als spielerisch gedachte Layout, in dem teilweise farbiger Text übereinander gedruckt ist. Bunt und verspielt, aber unzweckmäßig und nicht zielführend. Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.
Trotzdem, eine qualitativ herausragende Studie, die jede Führungskraft, die jeder Lehrende in seiner Ausbildung gleich zu Beginn studieren sollte, um die richtigen Schlüsse für sich und seine Arbeit zu ziehen.
Die Analogien zur Didaktik eines modernen Theaterunterrichts sind mehr als auffallend.
Sie reichen vom Möglichkeitenüberschuss, von der Kontingenzerfahrung in geplanten Prozesse, von der Überschneidung alter und neuer Formen, der Unbrauchbarkeit von Komplexitätsreduzierung im Lernprozess (Seelmann: 44-46). Darüber hinaus bilden sich Parallelen in Bezug auf die folgenden Stichworte ab:
- Hybridität
- Forschen
- Erproben
- Experimentieren
- Aufmerksamkeit und Achtsamkeit
- Offenheit für Neues
- Dialog und Zuhören
- tradierte Vorgehensweisen, Vorstellungen und In-Frage-stellen derselben
- schnelle Entscheidungsfähigkeit (z.B. beim Improvisieren)
- Mehrperspektivität
- Kontingenz und Emergenz nicht als Kompliziertheit, sondern als Komplexität
- Navigation statt Steuerung
- Visionen statt konkrete Ziele
- Selbstorganisation, Selbststeuerung, Selbstverantwortung
- Irritation, Kommunikation, Freiräume
- scheitern dürfen
- Feedback- und Fehlerkultur
- soziale Resonanz
- Mut
- Gemeinschaftssinn
- Rituale
- spielerisch konsequenzlose zweite Welten aufbauen
- Zusammenarbeiten
- Rollen tauschen
- Unsicherheiten aushalten
- Ambiguitätstoleranz
All diese Faktoren sind bedeutsame Elemente in einer Didaktik für Theater und werden zu entscheidenden Spielgrößen in einem produktiven wie in einem ästhetischen Prozess.
„Denn die Welt funktioniert nicht mehr: Sie spielt. Sie gestaltet jede Tag neue Feedbackschleifen, die das verändern, was wir Realität nennen. Auf organisationaler Ebene werden die Zusammenhänge zunehmend fluide und variabel, auf Teamebene werden wir interaktiver, und als Individuen sind wir gut beraten, Spaß an Veränderung zu entwickeln: uns offen zu halten, Neugier und Staunen als Grundhaltungen zu üben – zu spielen. […] Der Ruf nach ‚Resilienz’ verweist auf genau diese Entwicklung: Resiliente Organisationen, Führungskräfte und Mitarbeiter gehen nicht in den Widerstand. Sie verharren nicht in Enttäuschung, wenn sich etwas ganz anders entwickelt als angenommen. Sie erholen sich schnell und sind bereit, sich staunend auf neue Bedingungen einzustellen. Dabei hilft die spielerische Grundhaltung des ‚Als-ob’: Sie erlaubt es, sich schnell von Selbstannahmen zu verabschieden und ein anderes, neues ‚Als-ob’ zu akzeptieren. Kinder, die spielen, beherrschen das perfekt. Uns Erwachsenen ist diese Haltung abtrainiert worden. Doch wir können diese Flexibilität im Denken und Handeln wieder lernen. Es ist nicht einfach, aber gemeinsam geht es. Zumal keine Alternative am Horizont zu erkennen ist.“ (47)
Im Octalysis-Modell, das der Gamifification-Pionier Yu-kai Chou erstmals 2008 veröffentlichte, sind die grundlegenden acht Merkmale (Core Drives) nachhaltigen Lernens entfaltet:
„[Intrinsische Motivatoren]
Ermächtigung & Feedback (Empowerment of Creativity & Feedback): der Antrieb, die eigene Kreativität anwenden zu können und Resonanz dafür zu erhalten
Sozialer Einfluss & Verbundenheit (Social Influence & Relatedness): der Antrieb, in sozialen oder emotionalen Kontexten in Beziehungen eingebunden zu sein
Unberechenbarkeit & Neugier (Unpredictability & Curiosity): der Antrieb, erfahren zu wollen, was als Nächstes passiert, und Neues auszuprobieren
[Extrinsische Motivatoren]
Knappheit & Ungeduld (Scarcity & Impatience): der Antrieb, über Dinge zu verfügen, die in zeitlicher oder quantitativer Hinsicht knapp sind
Eigentum & Identifikation (Ownership & Possession): der Antrieb, Dinge, die man besitzt, pflegen zu wollen und sich mit ihnen zu identifi zieren
Leistung & Entwicklung (Accomplishment & Development): der Antrieb, sich weiterzuentwickeln und selbst herauszufordern.
[Ausprägung des Motivationsfaktors]
Bedeutung & Berufung (Epic Meaning & Calling): der Antrieb,Teil eines größeren Ganzen zu sein, das wichtiger als das Individuum ist
Verlust & Vermeidung (Loss & Avoidance): der Antrieb, dem Verlust einer Sache oder negativen Ereignissen vorzubeugen.“ (48-51)
All das und mehr sind inhärente Merkmale eines modernen Theaterunterrichtes und geschieht en passant in entsprechend gestalteten ästhetischen Prozessen.
Es zeigen sich an diesem Beispiel: Es existieren Parallelwelten: Auf der einen Seite die Welt der Theaterpädagogik, des Theaterunterrichts, auf der anderen Seite die Welt des Business. Es gibt kaum Berührungspunkte oder Wanderer zwischen den Welten und man schaut eher argwöhnisch auf den Anderen oder lästert über ihn ab. Festzustellen, dass es überraschend viele Parallelen in der Betrachtung beider Welten gibt – insbesondere, wenn man in beiden Welten Jahrzehnte lang gleichzeitig gearbeitet hat – ist vielleicht ein erster Schritt, dass sich beide Welten ihre eigenen Prämissen nochmals anschauen sollten, insbesondere die der Offenheit gegenüber Anderem, die Überprüfung eigener Einstellungen usw.
Das Buch ist ein Muss in der Hand eines jeden Unternehmensberaters, der sich zukunftsfähig machen will.
Eine Theaterlehrkraft, die nach einer modernen Didaktik unterrichtet, entdeckt darin überwiegend Altbekanntes und findet sich weitgehend bestätigt in dem, was der Mensch zum Menschsein in der modernen Welt benötigt.
[1] Bogost, Ian 2011: „Gamification Is Bullshit!“. In: bogost.com, 8.8.2011
[2] Caillois, Roger 1958: Die Spiele und die Menschen. Maske und Rausch. Stuttgart
[3] Barrett, Richard 2011: „The New Leadership Paradigm. A Response to the Global Leadership Crisis“. In: valuecentre.com, Januar 2011
[4] Walz, Steffen P. und Deterding, Sebastian 2014: The Gameful World. Approaches, Issues, Applications. Cambridge (MA)
[5] „Captology“ ist ein Akronym von „Computers As Persuasive Technologies“ und bezeichnet die Erforschung, in welcher Weise menschliches Verhalten und Einstellungen/ Vorurteilen von Menschen abhängig ist von den Werkzeugen, z.B. Computerprogrammen, die ihnen zur Verfügung stehen. Im Fokus steht die Frage nach der Verhaltensbeeinflussung durch Technologie.
[6] Deterding, Sebastian 2014: „Eudaimonic Design, or: Six Invitations to Rethink Gamifi cation“. In: Fuchs, Mathias et al. (Hg.): Rethinking Gamifi cation. meson.press, S. 305-331
Weiterführendes
- Pfaller, Robert 2012: Zweite Welten. Und andere Lebenselexiere. Frankfurt/ M: S. Fischer
- Sachser, Dietmar 2012: Theaterspielflow. In: Nix, Christoph/ Sachser, Dietmar/ Streisand, Marianne (Hg) 2012: Theaterpädagogik. Lektionen 5. Berlin: Theater der Zeit: 82-92 > Rezension
Yola meint
Liebes Team!
Respekt und Anerkennung für eine sehr differenzierte Rezension!
Yola