Das Kursbuch Theater machen ist ein Schülerbuch zum Erwerb theatraler Kompetenzen in der Mittelstufe.
Die Tutorials erläutern den jeweiligen Fokus eines Moduls.
Das Tutorial zum 5. Modul „Spielformen finden“ des Kursbuchs gibt eine Antwort auf die Fokusfrage:
Wie verknüpfen wir ein in der Gruppe gefundenes Thema und den dazu passenden Rollen und Aktionen mit verschiedenen Spielformen und bestimmten Kompetenzen der Schüler?
Spielformen im Theater
Spielformen | Merkmale |
Objekt-Theater, Puppen-Theater, Marionetten-Theater, Schatten-Theater, Schwarzlicht-Theater, Masken-Theater | Der Mensch, der Darsteller als Person, wird gar nicht oder nur teilweise für das Publikum sichtbar. Entweder sind nur Dinge sichtbar, z.B. Gegenstände und Puppen oder die Schatten der Darsteller. Oder wesentliche Teile des Darstellers sind verborgen, z.B. sein Gesicht durch eine Maske. |
Musical, Oper, Operette | Im Musik-Theater dominiert die Musik und die meiste Zeit wird gesungen. |
Bewegungs-Theater, Pantomime, Tanz-Theater, Ballett | Hier dominieren Bewegungen der Darsteller. Es wird nur sehr wenig oder gar nicht gesprochen. |
Drama, Tragödie, Komödie, Biografisches Theater, Dokumentar-Theater | Das naturalistische Theater spielt natürliches Leben nach. Die Darsteller imitieren zumeist natürliches Verhalten von Menschen. Aber auch performative Aktionen sind möglich. |
Site specific | Bei dieser Form dominieren die Besonderheiten eines Raumes – außerhalb eines Theatergebäudes – das Spiel. |
Erzähl-Theater, Lecture-Performance, PoetrySlam | Ausgangspunkt und Schwerpunkt der Darstellung ist der mündliche Vortrag. |
performative Theaterformen | Performatives Theater erzählt keine durchgehende Geschichte, hat keinen roten Faden, außer einem bestimmten Thema. Der Performance-Künstler ist als Akteur (nicht als Privatperson) präsent. Er spielt keine Rolle, keine Figur. Er stellt sich eine Aufgabe, die er versucht zu lösen; dabei beobachtet ihn ein Publikum. Für den künstlerischen Prozess ist manchmal eine direkte Publikumsbeteiligung notwendig. Ein anschauliches Beispiel für eine bekannte Performance ist: „The Artist Is Present!“ mit Marina Abramovic.Performances zeigen Situationen. Performativ arbeiten heißt, gegen einen selbst gesetzten Widerstand zu arbeiten. Der Verlauf performativer Arbeit ist meist nicht komplett planbar.
„To perform“ can also be understood in relation to: “Being” is existence itself. “Doing” is the activity of all that exists. “Showing doing” is performing: pointing to, underlining, and displaying doing. “Explaining showing doing” is performance studies.” (Schechner: 28) “Performing” ist also “showing doing”! Was das einfache „doing“ zur performativen Aktion macht ist die Tatsache, dass es bewusst gezeigt wird, in einem erkennbaren Rahmen ausgestellt wird. Ist das „einfache doing“ das, was eine Privatperson im alltäglichen Leben tut, so ist das „ausgestellte doing“ nicht mehr ein privater, sondern ein – zwar immer noch persönlicher aber infolge des Umstands, dass er gezeigt wird – öffentlicher, performativer Akt. Vereinfacht gesagt gibt es also drei „Aggregatzustände des Auftretens“: – das private Tun (das normalerweise ohne öffentliche Wahrnehmung geschieht), – das persönliche, öffentliche, performative Tun, das immer in einem gestalteten Rahmen stattfindet und das selbstreferentiell ist und somit auf nichts anderes verweist, als auf das, was es ist – und das theatrale Spiel (das immer auf eine – oder mehrere – weitere Bedeutungsebenen verweist, die über das konkrete Tun hinausgehen). (Wenzel: 10) |
Bildertheater, Forumtheater, Unsichtbares Theater, Straßentheater, Prozessionstheater, Freilicht-Theater, Mysterienspiel, Zirkus, Kabarett, Comedy, Improtheater | Misch- oder Hypridformen kombinieren verschiedene Formen miteinander, je nachdem für welchen Zweck sie genutzt werden und welche Wirkung sie erzielen sollen. |
Jede Spielform erfordert aufgrund ihrer Spielgegenstände, ihrer Wirkungsabsicht oder der räumlichen Umstände bzw. der Bühnenformen (Guckkastenbühne, zentrale/ dezentrale Spielfläche) eine besondere Spielweise.
Auch innerhalb der gleichen Spielformen gibt es unterschiedliche Spielweisen.
So kann beispielsweise mit Puppen sehr naturalistisch gespielt werden, d.h. die Puppen sehen wirklichen Menschen sehr ähnlich und werden auf eine Weise bewegt wie sich auch Menschen bewegen und handeln wie Menschen. Sie „sprechen“ auch so wie Menschen sprechen. Oder sehr große phantasievoll verfremdete Puppen bewegen sich zu einer Musik, und die Darstellung ist eher ein bewegtes stimmungsvolles Bild ohne bestimmte Handlung.
Auch dort, wo bewusst kein Theater gespielt wird, finden wir viele theatrale Formen wie in religiösen Ritualen (Liturgien, Schamanenauftritte usw.), traditionalistischen Festen (Karneval, Volkstänze), Politikveranstaltungen (Wahlkampf, Militärparaden usw.)
Zeitgenössisches Theater zeichnet eine große Bandbreite der genutzten Spielformen aus. Traditionelle Genres und Gattungen werden durch Avantgarde immer wieder in Frage gestellt und die Abgrenzungen der Spielformen und Spielweisen werden durchlässiger und überschritten. Es bilden sich zunehmend hybride Formen. Darüber hinaus ist die „Aufführungspraxis der Gegenwart (…) längst geprägt von einer ausufernden Entgrenzung der Einzelkünste.“ (Döring/ Tischler-Müller: 4)
Literatur
- Döring, Mirka/ Tischler-Müller, Ute 2015: Setting the Stage. Vol. 2. Arbeitsbuch. Heft 7/8. Berlin: Theater der Zeit
- Schechner, Richard 2006: Performance Studies. An introduction, Second edition. NewYork and London: Routledge, Taylor & Francis Group
- Wenzel, Karl-Heinz 2009: „Showing Doing“ statt „Showtime“. Über performative Darstellungsformen im Jugendtheater. In: Spiel & Theater. Die Zeitschrift für Theater von und mit Jugendlichen. Heft 183, April 2009. Weinheim: Deutscher Theaterverlag
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