Friedhelm Roth-Lange ist Theaterpädagoge, Theaterlehrer, arbeitet im Vorstand des Bundesverbandes Theaterpädagogik e.V. und zahlreichen anderen Institutionen und Projekten mit, z.B. im Institut für Angewandtes Theater in Wien.
Im Gespräch mit Volker List beschreibt er mit anschaulichen Beispielen die Anfänge seiner Schultheaterarbeit und was in dazu bewegt, Kinder und Jugendliche mit der Kunstform Theater bekannt zu machen.
Dabei plädiert er für einen Theaterunterricht an Schulen, der nicht unzeitgemäßen Traditionen eines Literaturtheaters einer vermeintlichen Hochkultur folgt, sondern von den Interessen, Bedürfnissen und Kulturformen der Kinder und Jugendlichen ausgeht und diese in die Arbeit mit ihnen einbezieht; also mehr E-Piano statt Klavier, popkulturelle Elemente, widerständigere Formen statt Kniefall vor hohl gewordenen Traditionen.
Große Aufführungen, die mehr einer Nachahmung des professionellen Theaters und Repräsentationszwecken der Schule bzw. Schulleitung dienten, seien der falsche Weg auch in Beziehung auf das, was realistischerweise in zumeist nur einer Doppelstunde in der Woche machbar sei.
Kleine Formen, Collagen, Pausenhoftheater und Werkschauen seien der Rahmen, in dem sich Theaterunterricht zeigen könne, vor kleinem Publikum.
Die Postdramatik biete Spielweisen an, die den Möglichkeiten des Schultheaters als regulärem Theaterunterricht dabei sehr entgegen kämen.
Roth-Lange wünscht sich mehr Engagement insbesondere in drei Bereichen:
- Mehr handfeste Angebot für Grundschul-Kollegen, damit Kinder schon frühzeitig mit Theater Bekanntschaftmachen können und die Grundschüler, besonders in sozialen Brennpunkten, Theaterspielen unter qualifizierter Anleitung praktisch als kulturelle Bildung erleben und erfahren können.
- Theatervermittlung sollte weniger in der Form von unterrichtlichen Nachgesprächen von gesehenen Aufführungen erfolgen, sondern mehr über praktische Arbeit das Gesehene reflektieren.
- Cross-over-Projekte z.B. mit Museen könnten Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche eröffnen, Kunst als umfängliche Kulturaneignung zu erleben, die sie praktisch einbezieht und zu Subjekten kultureller Erfahrung macht, statt ihnen nur den Objekt-Status von Betrachtern zuzugestehen.
Siehe auch:
Wenzel, Karl-Heinz: Postdramatik im Jugendtheater (Interview)
Weiterführendes
- Czerny, Gabriele 2010: Theater-SAFARI. Praxismodelle für die Grundschule. Braunschweig: Westermann. 270 Seiten > Rezension
- Roth-Lange, Friedhelm 2015: „Man sieht immer, wie alles gemacht wird“ – performatives Theater im Unterricht. In: Olsen, Ralph/ Paule, Gabriela (2015): Vielfalt im Theater. Deutschdidaktische Annäherungen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren: 49-66 > Rezension
- Roth-Lange, Friedhelm 2014: Theater machen – Theatermachen? Themenkonstitution im Fach Darstellendes Spiel. In: Lange, H./ Sinning, S. (Hg.) (2014): Ästhetik und Leiblichkeit. Baltmannsweiler: Schneider: 69-96 > Rezension