Anklam, S./ Meyer, V./ Reyer, T. 2018: Didaktik und Methodik in der Theaterpädagogik. Szenisch-Systemisch: Eine Frage der Haltung!? Seelze: Friedrich Verlag. 167 Seiten – Rezension
„Wir haben das Buch für Theaterschaffende und -lehrende geschrieben, für Lehrer*innen, die in der Schule Darstellendes Spiel unterrichten, Theaterpädagog*innen am Theater, die einen Spielplan vermitteln wollen, Spielleiter*innen von Kinder-, Jugend- oder Senior*innen-Theatergruppen, Pädagog*innen, die mit Theatermethoden präventive Projekte anleiten – kurz: für alle diejenigen, die mit dem Medium Theater arbeiten.“ (10)
Ein äußerst weitreichender Anspruch, wenn man sich die Verschiedenheit der Arbeitsfelder der Angesprochenen anschaut und der Unterschiedlichkeiten, was die Anforderungen an die Lehrenden in den verschiedenen Bereichen betrifft. Es gilt, das Angebot der drei Autoren insbesondere darauf hin zu überprüfen, ob es Theater-Lehrkräften in Schulen, die das Fach Theater/ Darstellendes Spiel unterrichten, eine Hilfe sein kann.
Um es gleich vorweg zu sagen, das Buch sei, trotz einiger begrifflicher Mängel und Inkohärenzen, insbesondere allen Aus- und Weiterbildnern sowohl im Bereich der Theaterpädagogik als auch im Bereich schulischen Theaterunterrichts wärmstens ans Herz gelegt. Es zeigt, wie kaum eine andere Publikation zu diesem Thema, wie mit den Interdependenzen der Einflussgrößen nicht nur im theaterpädagogischen Arbeits- und Lernprozess umgegangen werden sollte. Das Autorenteam überträgt die vielfach belegte Erkenntnis (Hattie, Burow u.a.), dass eine entsprechende Haltung und Kompetenz von Lehrenden einen grundlegenden Einfluss auf jeden bewusst initiierten und strukturierten Lernprozess, demnach auch auf den theaterpädagogischen, haben. Das Team setzt sich mit seinem Buch das Ziel: Aus einem systemischen Ansatz heraus werden wir „für eine transparente, kompetente und wirksame Praxis“ unsere Idee einer „spezifischen Fachdidaktik für die Theaterpädagogik entwickeln“. (28)
Ausgangspunkt für die Zielprojektion, „die Theaterpädagogik methodisch und didaktisch in einen neuen[sic!] Rahmen [zu] setzen, Theaterspielen und Inszenieren individuell und in seiner ganzen Vielfalt zu erlernen“ war die Beobachtung, „dass selbst formal gut ausgebildete Theaterpädagog*innen sich vorrangig mit der Frage nach ‚der richtigen Methode‘ beschäftigen und gleichzeitig davon überfordert scheinen, einen Lernprozess tragfähig zu gestalten. Wir stellen fest, dass viele theaterpädagogische Weiterbildungen sich darauf beschränken, Methoden zu vermitteln und den Transfer für verschiedene Kontexte und Anlässe unberücksichtigt lassen.“ (27) Das führe dann dazu, dass sie sich nicht in der Lage fühlen, eine Methode auf ein anderes „Setting“ zu übertragen. Oder sie hielten die Methode für unbrauchbar, wenn sie nicht so funktioniere, wie sie sie in der Weiterbildung erlernt hätten. Nicht „die richtige Methode“ präge einen wirksamen Lernprozess, so die Autoren, sondern „das kompetente Handeln der Theaterpädagog*in.“ (28) Sie hätten nichts gegen „gute Methoden“, allerdings fruchte keine Methode ohne Haltung. Das ist soweit korrekt und seit langem bekannt und auch durch wissenschaftliche Untersuchungen längst vielfach nachgewiesen und gilt nicht nur für Theaterpädagogen. Wo ist demnach das Neue dieses Ansatzes, fragt sich der geneigte Leser.
Die Autoren gliedern ihr Buch nach der Struktur eines klassischen fünfaktigen Dramas (siehe Inhaltsverzeichnis). Es wird zu prüfen sein, ob und inwiefern diese Theateranalogie ein hilfreiches Konstrukt ist, eine sach- und fachorientierte Didaktik für Theater zu entfalten.
Im Kapitel „Vorweg“ definieren die Autoren nochmals „Inhalt“, „Zielgruppe“, „Kernthese“, „Perspektiven“, „Aufbau“ und „Anliegen“, bevor es zum „1. Akt, der Exposition – Einführung der Begriffe und Hypothesen“ geht. Dabei stolpert der Leser über den Hinweis „Du kannst das Buch entweder von vorne nach hinten durcharbeiten oder Teile davon überspringen, querlesen, zirkulär vorgehen – ganz so wie es für dich nützlich ist.“ (14), um wenige Seiten weiter in der „Exposition“ den Appell zu vernehmen, dass es in dieser Exposition Informationen gibt, „die für das Verständnis der folgenden Kapitel wichtig sind.“ (16) Was denn nun, querlesen oder der Logik und zwingenden Struktur des fünfaktigen Dramas folgen? Das klingt wenig durchdacht, oder zwei Autoren zeichnen für verschiedene Abschnitte verantwortlich und haben nicht ausreichend miteinander kommuniziert.
Inhaltsverzeichnis
Im Folgenden benutzt das Autorenteam „ein wichtiges didaktisches Prinzip: die Reduktion von Komplexität“ (16) und definiert grundlegende Begriffe. Es fragt:
„Was ist Theater? […]
Was ist Spiel? […]
Was ist Pädagogik? […]
Was ist Gruppe? […]
Was ist Theaterpädagogik? […]
Was sind systemisches Denken und Handeln? […]
Was ist systemische Theaterpädagogik? […]
Was sind Didaktik und Methodik? […]
Was ist systemische Didaktik und Methodik? […]
Was ist Kompetenz? […]
Was ist Haltung? […]
Was ist Profil? […]
Was ist neu? […]
Und jetzt?“ (17-28)
Es wird nicht gefragt: Was ist Theater-Unterricht? Ich erinnere an den Anspruch der Autoren: Eine Didaktik auch für Theater in der Schule, also auch für Theater-Unterricht zu präsentieren.
Die Autoren offenbaren nun die Kriterien ihres weiteren Vorgehens: „Wir bedienen uns dabei einer eklektischen Form – sprich: Wir nehmen vor allem, was unserem Anliegen[1]dient, das Schönste, Sinnvollste, Präziseste heraus, rühren, mischen, schütteln, schmecken, überprüfen es und fügen dem Ganzen noch unsere eigene Note, Konnotation und Farbe hinzu. […] Und auch damit handeln wir schon als Systemiker*innen und Theaterpädagog*innen: Wir treffen eine subjektive Auswahl […].“ (16) Man lasse sich dieses Kriteriensammelsurium einmal auf der Zunge zergehen und prüfe bitte, wie dieser undifferenziert-wahllose subjektive Brei wohl als Systemiker (!) „schmecken“ mag. Soweit zum Anspruch des Autorenteams. Schauen wir was sie tatsächlich im Folgenden formulieren.
Äußerst kritisch zu bewerten ist der explizite Anspruch des Autorenteams, dass sie theaterpädagogische Arbeit zwar als kulturelle Bildung definieren und sich die Arbeit „hauptsächlich auf die künstlerische Entwicklung Einzelner und der Gruppe“ konzentriert, gleichzeitig diese aber „im[!] Rahmen der persönlichen Fähigkeiten“ beschränkt bleiben soll. (20) Genau das ist aber Kernelement jeder kulturellen Bildung, dass sich Menschen verändern, dass sie „den Rahmen [ihrer] persönlichen Fähigkeiten“ sprengen und überschreiten können/ sollen, dass sie sich weiter entwickeln in ihrer Persönlichkeit, reifen und durch Kompetenzzuwachs erhöhte Selbstwirksamkeit erfahren, so wie es schulischer Theater-Unterricht anstrebt. Genau das aber konstatiert das Team 68 Seiten später in widersprüchlicher Weise selbst: Eine Persönlichkeit sei veränderlich, und das einzige Beständige sei der Wandel. (88) Die Frage bleibt, ob hier einfach sprachlich unsauber gearbeitet und geschludert wurde oder tatsächlich Klärungsbedarf im formulierten Anspruch der drei Autoren besteht. Festzuhalten ist, dass die Kurzdefinitionen zu den aufgezählten Kernelementen des Großthemas zumeist sprachlich recht präzise sind und zentrale Thesen bekannter Autoren dazu proseminarartig zitiert sind (was man allerdings hundertfach in anderen Büchern schon gelesen hat > Huizinga, Piaget, Klafki, Brook usw.). Leider fehlt hier die systemische Vermittlung der verschiedenen Aspekte, dann hätte man sehen können, dass Lernen und Kompetenzzuwachs im Feld theaterästhetischer Arbeit nicht oder nur sehr bedingt im „Rahmen der persönlichen Fähigkeiten“ eingesperrt bleiben kann, sondern eben gerade eine Veränderung, ein Wachstum persönlicher Fähigkeiten anstreben muss, damit sie sich in kulturellem Denken und Verhalten manifestieren können. Auf die große Bedeutung verweisen die Autoren dann in den folgenden Kapitel auch recht klar, wenn sie formulieren: „Im Wesentlichen sind für Theaterpädagog*innen und auch deren Zielgruppen jedoch Kompetenzen das Ziel und Ergebnis aller Lernprozesse: „‘Kompetenzen sind die Fähigkeiten, in unerwarteten, (zukunfts-)offenen, manchmal chaotischen Situationen kreativ und selbstorganisiert zu handeln.‘ (ebenda. [Verweise auf Erpenbeck und Rosenstiel (2002)]) Oder auch: ‚Kompetenzen liefern die Basis für das Generieren oder >Erfinden< von Aktivitäten; sie ermöglichen einen flexibleren Umgang mit den jeweiligen Bedingungen einer Problemsituationen.‘“ (25) Entgegen dieser Definitionen beziehen sich die Autoren aber auf die Vorgaben, von Gunter Schmidt, der mit dem Hilfsbegriff „Ressource“ eine Deutungsverschiebung anstrebt: „Eine Ressource wird zur Kompetenz (bzw. trägt dazu bei), wenn sie situativ und zielbezogen verwendet wird (unabhängig vom Erfolg und Erreichung des Ziels).“ (26) Die Autoren fordern für den theaterpädagogischen Prozess: „Du definierst ein klares Ziel.“ (40) bei gleichzeitigem Anstreben, dass Lehrende und Lernende „auf gleicher Ebene, also in einer symmetrischen Beziehung, zueinanderstehen, […] alle Teilhabenden auf Augenhöhe partizipieren und den Prozess […] [in Form der Gleichberechtigung] […] mitgestalten.“ (37)
Es ist offensichtlich, dass der Widerspruch einer (unsystemischen!) Entkoppelung des Anstrebens eines Ziels („zielbezogen“) und der tatsächlichen Erreichung und auch der Überprüfung eines Ziels (sonst wären Ziele überflüssig und unsinnig) in eine lerntheoretische Sackgasse führt. Ebenso wie die idealistische Annahme, dass die gut ausgebildete Theater-Lehrkraft den gleichen Einfluss habe wie ihre Schüler. Weltfremd, unpädagogisch und unsystemisch, diese Statusfrage zu verleugnen. Von Evaluation, Beurteilung und Notengebung ist dabei noch gar nicht zu reden. Hier besteht erheblicher Nachbesserungsbedarf in der theoretisch-systemischen Gedankenführung (vgl. „‘statt isolierter Objekte werden die Relationen zwischen Ihnen betrachtet‘“ (20)). Zielbezogenheit und Zielerreichung stehen aber in engster Relation zueinander. Das Phänomen beschreibt sogar einen wesentlichen Kern nicht nur schulischen Lernens, weil nur auf diese Weise (durch In-Beziehung-Setzen) lassen sich plausible Lernprogressionen und nachhaltige Wirksamkeit überhaupt erst feststellen und beurteilen. Das wiederum konstatieren die Autoren ebenfalls und stellen damit in sehr unsystemischer Weise sogar widersprüchliche Aussagen nebeneinander ohne sie in Beziehung zu setzen (und das hat mit dem beschriebenen Rhizom nichts zu tun): „Wenn man davon ausgeht, dass die Aktivierung der Lernenden ein wesentlicher Faktor für den Lernerfolg ist (vgl. etwa Reyer 2004), leistet die systemische Didaktik einen Beitrag zu nachhaltiger Bildung im Sinne nachhaltiger Wirksamkeit.“ (24) Dies bleibt eine Behauptung, so lange sie nicht überprüfbar ist. Eine Durchsicht der von den Autoren sehr präzise formulierten Kompetenzen, die sie von einem Theaterpädagogen fordern (94), zeigt, dass eine Forderung nach Kommunikation auf Augenhöhe mit Schülern und gleichberechtigtem Einfluss im Prozess in keiner Weise unter diesen Gegebenheiten einer Realitätsprüfung standhält, zumindest nicht in der ersten Zeit der Zusammenarbeit. Da der Lernprozess auf einen Kompetenzaufbau bei den Schülern zielt, ist es denkbar, dass diese nach einem längeren Lernprozess, möglicherweise über viele Jahre, eine ähnliche Qualifikation entwickeln wie die Lehrkraft und dann erst eine Kommunikation auf Augenhöhe möglich wird.
Hippe betont im Vorwort zum Buch, was den systemischen Ansatz von anderen unterscheidet: „Im systemischen Ansatz gibt es keinen Erwartungshorizont, der vom Lehrenden abschließend überprüft und bewertet wird.“ (9) Die Formulierung von Erwartungshorizonten und Zielen sind aber für die Überprüfung von Kompetenzerwerb nicht nur im schulischen Theater-Unterricht unabdingbar. Der Ansatz dieses Buches, so Hippe, sei die „selbstbestimmte Entwicklung einzelner Personen und der gesamten Gruppe (einschließlich der Leitung)“ (9). Dies steht freilich im aktuellen, schulischen Lernen im Theater-Unterricht nicht im Fokus, denn er muss sich an vorliegenden und überwiegend verbindlichen Curricula und weiteren schulischen Rahmenbedingungen orientieren. Folglich haben die Autoren mit „ihrem“ systemischen Ansatz diese Einflussgrößen komplett ausgeblendet.
Hippe skizziert aber im nächsten Absatz von den Autoren erhobene Forderungen und beschriebene Rahmenbedingungen für theaterpädagogische Arbeit, die ausgebildete und kompetente Theater-Lehrkräfte im Schuldienst zweifellos unterschreiben: Künstlerische und soziale Methoden sind „untrennbar miteinander verbunden“. Die Aufgabe der Leitung, also auch der Theater-Lehrkraft, nach diesem Ansatz, ist es, „möglichst geeignete Rahmenbedingungen für das gemeinsam definierte Ziel des jeweiligen Projektes zu schaffen und zu erhalten; den Prozess/ die Prozesse in Form von ‚Angeboten‘ zu initiieren, zu moderieren, zu reflektieren (nicht: ihn entscheidend zu dominieren!) und das jeweilige theaterpädagogische Labor als Mentor/in zu begleiten.“ (9) Um diesen pädagogisch-künstlerischen Drahtseilakt zu bewältigen – die geschickte Vermittlung bildungspolitischer Vorgaben mit möglichst freier künstlerischer Arbeit – ist zweifellos eine hohe Kompetenz der Theater-Lehrkraft von Nöten.
Es ist schön zu lesen, dass wesentliche Gedanken zur Frage des Status einer Theater-LEHRKRAFT bzw. eines Theater-PÄDAGOGEN aufgegriffen werden, wie sie in dem Buch „Die Kunst Theater zu lehren“ bereits skizziert wurden (vgl. 38-39, vgl. auch List 2017c: 85).
Die Buchautoren entwickeln aus einem etwas holprigen Start des Versuchs einer theoretischen Klärung bzw. Formulierung eines erkenntnisleitenden Interesses und der Formulierung eines Anspruchs für ihr Arbeit einen erstaunlich präzisen Fragen- und Statement-Katalog zu Haltung und Profil eines Theater-Pädagogen (29) und fordern die Leser explizit auf, in einen Diskurs zu treten. Inwieweit diese Fragen auch auf Theater-Lehrkräfte Anwendung finden, wird zu prüfen sein. Hier wäre sicherlich hilfreich gewesen den Diskurs mit dem Ansatz der Gegenüberstellung der beiden Professionen zu suchen (vgl. List 2018a: 31-39), wie überhaupt durch eine ordentliche Recherche zu erfassen, welche aktuellen Arbeiten es zu diesem Thema gibt. Schließlich war man auch zu dritt inklusive einer Hochschullehrkraft.
Überraschenderweise werden direkt nach der Erkenntnis, dass die Haltung eines Theaterpädagogen den entscheidenden Einfluss auf einen Lernprozess hat, sehr ausführlich und konkret Methoden(!) und Übungen für den Einstieg in ein theaterpädagogisches Projekt beschrieben. Diese sind zwar treffend und spiegeln umfangreiches Erfahrungswissen der Autoren, aber seit Jahrzehnten(!) bekannt und häufig Standard in der Weiterbildung von Theater-Lehrkräften. Systemisch gedacht und Zusammenhänge und Beziehungen herstellend erwartet der Leser aber eigentlich Hinweise darauf, wie denn nun so eine Haltung zu erwerben ist, die Lernprozessen in erster Linie förderlich ist und nicht wieder Methodenbeschreibungen. En passant: Und wieder feiert die unsägliche Formel von der Forderung nach der Überforderung der Schüler fröhliche Urständ, jetzt als „wohldosierte (!) Überforderung“ (32), statt die aus einer angemessen Haltung des Theaterlehrenden und der uralten Erkenntnis der Pädagogik abzuleitenden Forderung, eine Überforderung zu vermeiden (so im Widerspruch dazu auch die Autoren auf Seite 95 selbst!), weil diese logischerweise zur Enttäuschung, zur Entmutigung, zum Versagen mit all seinen Folgen führt.[2]State oft the art kann demgegenüber nur die angemessene Herausforderung sein, die sich als schwierig, aber mit der Chance der Bewältigung, auch mit Fehlern, Irrwegen usw., für den Lernenden darstellt (so auch die Autoren u.a. auf Seite 97!). Überforderungen exkludieren Menschen. Dauerhafte Überforderungen machen krank. Die vornehmste Aufgabe eines Pädagogen sollte sein, seine ihm anvertrauten Lernenden in zunehmend komplexere, ihrem Alter und der momentanen Kompetenz angepassten Lernsettings zu führen (siehe z.B. die Rezensionen zum Kursbuch Darstellendes Spiel von Hruschka und zum Kursbuch Theater machen von Scheller), in denen sie sich an den gestellten Aufgaben (und Widerständen) abarbeiten und wachsen können, auch weil es in der Zielprojektion (der Aufführung) keine genauen und konkreten Zielvorgaben geben kann (Kontingenz und Emergenz!), und weshalb man hier auch besser von einer ästhetischen Vision sprechen sollte (vgl. List 2018a: 41, 47, 66-76 usw.).
Der 2. Akt des Theaterpädagogik-Dramas der drei Verfasser schließt mit den allzu bekannten und seit vielen Jahren in der Theaterlehrkräfteweiterbildung und entsprechenden Publikationen erhobenen Forderungen nach den folgenden didaktisch-methodischen Prinzipien:
- „Strukturen und Regeln zur Kommunikation etablieren (z. B. Feedback-Regeln). Das gibt Sicherheit und Klarheit.
- Transparenz schafft Klarheit. Alle Arbeitsschritte, auch Bedenken … kommunizieren.
- Positives Handeln verstärken, individuelle Ressourcen fördern, spezielle Fähigkeiten nutzen, um Motivation und Mut einer jeden Einzelnen zu fördern, Sich einzubringen.
- Identitätsstiftende Rituale stärken den Zusammenhalt der Gruppe und bilden eine gemeinsame Sprache aus.
- Wiederholung schafft positive Gewöhnung und einen vertrauten Rahmen.
- Streitkultur als kreative Kraft nutzen. Reibung erzeugt Wärme.“ (76)
Gut so, dass es nochmal gesagt wird. Jetzt gilt es, dafür zu sorgen, dass diese Prinzipien und Methoden auch angewendet werden. Wie kann das bewerkstelligt werden?
Der 3. Akt des Theaterpädagogik-Dramas der drei Verfasser zu ihrer „Norming-Phase“ schließt mit didaktisch-methodischen Prinzipien, die hilfreich sein können. Schade, dass es ausgerechnet hier keine Anregungen für schulischen Theater-Unterricht und Theater-Lehrkräfte gibt außer dem Hinweis, dass es Lehrpläne gibt.(115) Das ist leider zu dürftig, denn Curricula sind ja gerade die Quellen, die eine Didaktik für Theater bedienen muss. Keinerlei Bezüge und Verweise auf Curricula und kein Aufgreifen spezifisch schulischer Bedingungen, obwohl dieser Anspruch anfangs erhoben wird. Außerdem häufen sich die Redundanzen, was vermutlich auch mit der gewählten Struktur eines klassischen 5-Akters zusammenhängt, der sich scheinbar doch nicht so gut eignet, eine Didaktik zu entwickeln. Eine Didaktik für Theater sollte wohl zunächst sinnvollerweise nach den durch das Sujet vorgegebenen Fachinhalten (WAS?) und den entsprechenden pädagogischen Notwendigkeiten strukturiert werden, wie es die „Didaktik für Theater und Darstellendes Spiel“ anbietet.
Vollends irritierend muss der Leser weiterhin feststellen, dass im Kapitel D. EREIGNIS: Projekt durchführen (118) ziemlich genau das referiert wird, was seit Jahrzehnten in Curricula bereits ausgearbeitet vorliegt und in Schülerarbeitsbüchern (siehe Kursbücher) konkret umgesetzt, wissenschaftlich evaluiert und z.B. als Standardlehrwerke von Theater-Lehrkräften genutzt werden. Mit einer einfachen Recherche (sogar über google durch die Eingabe von „Didaktik für Theater“) hätten sich die Autoren darüber leicht informieren können. Warum haben sie das nicht getan? Warum haben sie hier bedeutsame Entwicklungen der letzten Jahrzehnte ignoriert und verschwiegen? Warum taucht nicht ein einziges dieser Werke und auch der zahlreichen Aufsätze hierzu im Literaturverzeichnis auf? Warum verweigert man den Diskurs, auf den doch allerorten und auch in der vorliegenden Publikation so großen Wert gelegt wird? Die Antworten würden mich sehr interessieren.
Der 4. und 5. Akt bestätigen nun endgültig: Den Autoren geht es um theaterpädagogische Projekte außerhalb(!) der Schule. Dabei werden aber ziemlich genau, wie in anderen Abschnitten teilweise auch, die Angebote und Beschreibungen des Kursbuch-Konzeptes übernommen, ohne allerdings die Quellen anzugeben (vgl. nicht nur die Beschreibungen der Inhalte und Abläufe von Schlussphasen von Theaterprojekten, sondern deren gesamten Struktur). Dies wird nochmals eklatanter, wenn die Autoren versuchen das Thema Evaluation und Überprüfung der Lernfortschritte ansprechen und dabei aber komplett alles, was dazu seit vielen Jahren im und für Theater-Unterricht entwickelt und dokumentiert wurde, ignorieren.
Im Bereich des schulischen Theater-Unterrichts werden die Autoren ihren Ansprüchen demnach nicht gerecht. Das Werk ist insofern nur bedingt bzw. nicht hilfreich (siehe meine Anmerkungen dazu) für die Arbeit und Ausbildung von Theater-Lehrkräften.
In der Verlagsankündigung werden noch ausdrücklicher als Zielgruppe dieses Buches Theater-Lehrkräfte in Schulen benannt: „Seit einigen Jahren ist Theater in mehreren Bundesländern als Schulfach eingeführt. Aber auch in vielen Theater-AGs ist das Darstellende Spiel ein lebendiger Bestandteil im schulischen Miteinander. Das Buch begleitet Lehrer*innen und Theaterpädagog*innen lustvoll dabei, sich im komplexen System theaterpädagogischen Tuns und Denkens menschlich, ästhetisch und pädagogisch zu verorten.“ (https://www.friedrich-verlag.de/shop/didaktik-und-methodik-in-der-theaterpadagogik; gelesen am 02.11.2018)
Auf der Umschlagseite vier des Buches präzisieren die Autoren ihren Anspruch: „Theaterschaffende sind eingeladen, die eigenen Spiel- und Möglichkeitsräume zu erkennen, zu kreieren und zu gestalten, um schließlich ihre eigene Interpretation von Wirklichkeit auf die Bühne zu bringen – bewusst, kompetent, fundiert und kontextangemessen. Dabei gehen die Autorinnen davon aus, dass die didaktische Herangehensweise an jeden theaterpädagogischen Prozess zuallererst eine Frage der eigenen Haltung ist. Das methodische Vorgehen entwickelt sich dabei organisch aus der Beantwortung didaktischer Fragen. Das WIE entsteht nach dem WAS – nicht umgekehrt!
Im Buch werden wesentliche Begriffe wie Didaktik, Methodik, Theater und Pädagogik geklärt, um diese zu reflektieren, in Beziehung zueinander zu setzen und daraus ein didaktisches Modell einer systemischen Theaterpädagogik abzuleiten.
Durch didaktische Fragen wie ‚Was will ich konkret mit meiner Arbeit? Was ist mein Profil als Theaterpädagog*in?‘ oder was denke ich über meine jeweilige Zielgruppe? wird das WAS der eigenen theaterpädagogischen Herangehensweise geklärt.
Diese bewussten didaktischen Überlegungen schaffen einen gehalt- und sinnvollen Boden für das WIE, sodass jede Spielleiter*in sich aus dem Dschungel an Methoden diejenigen wählen kann, die ein authentisches und kompetentes Anleiten und damit einen gelungenen theaterpädagogischen Prozess möglich machen.“
In ihrer „Kernthese“ verweisen die AutorInnen auf den „absolut wesentliche[n] Kern der gelungenen Theaterarbeit“ im schulischen und überhaupt allen theatralen Zusammenhängen: „die innere Haltung der Lehrenden“. Dies ist eine richtige, gleichwohl uralte Erkenntnis und trifft auf alle Lehr-Lern-Zusammenhänge zu. Sie ist kein Spezifikum von Theater-Unterricht. Insofern ist die Kritik der AutorInnen nachvollziehbar und korrekt, wenn sie formulieren: „Daher ist es auch nicht ausreichend, wenn in der Ausbildung von Theaterpädagog*innen oder in der Fachliteratur – wie oft beobachtet – der zentrale Fokus auf dem Vermitteln von Übungen und Methoden liegt. Ganz im Gegenteil. Erst didaktische Fragen und Konzepte führen zu klarer theaterpädagogischer Haltung, zu einem eigenen Profil. Und erst diese versetzt in die Lage, Methoden gemäß einer bewussten Intention, im Rahmen eines komplexen und sich stets verändernden Systems sinnvoll einzusetzen sowie innerhalb dieses Prozesses zielführend zu intervenieren und Übungen angemessen zu übertragen.“ (11)
Das ist alles soweit nachvollziehbar. Leider werden in dieser allgemeinen und pauschalen Beschuldigung eines gewissen „Methodenfetischismusses“ nicht Ross und Reiter genannt. Es ist so banal wie einsichtig, dass ein Lehrender der keine angemessene Haltung zu sich, seiner anvertrauten Klientel und dem Sujet nur bedingt über ein angelerntes Methodensammelsurium erfolgreich agieren kann. Dem wäre auf gleichem Niveau entgegenzuhalten, dass sehr häufig in der Ausbildung von Theater-Pädagogen „wie oft beobachtet“ zu viel Zeit damit verschwendet wird, endlos „Räumen nachzuspüren“, „den Körper im Hier und Jetzt zu erfühlen“, viele Stunden lang „das sogenannte Dazwischen zu erforschen“ usw. statt in einer integralen Ausbildung die Haltung des Lehrenden und die Komposition eines Lernprozesses miteinander zu vermitteln und zu verknüpfen (vgl. List 2018a: 38-39 > Statusermittlung bei TP und TL). Das Ergebnis eines fehlgeleiteten Ausbildungsprozesses bei Theater-Pädagogen erlebe ich vielfach durch Beratungswünsche, in denen ausgebildete Theater-Pädagogen und -Lehrkräfte darüber klagen, sie wüssten jetzt viel über performative Ästhetik von Räumen und den Räumen zwischen den Räumen, den Zwischenräumen, hätten aber keine Ahnung wie sie daraus ordentlichen Unterricht machen sollten, der den Anforderungen von Curricula und schulischer Allgemeinbildung genügt (vgl. u.a. Hentschel: 2016).
Ein bisschen absurd und weltfremd bleibt in diesem Kontext die Forderung so mancher Theater-PädagogInnen, in den Schuldienst bei gleicher Bezahlung wie ausgebildete Lehrkräfte aufgenommen zu werden, sich sogar für „überqualifiziert“ zu halten, ohne die Ausbildung einer Lehrkraft zu besitzen. Natürlich kann man dem entgegenhalten, dass es trotz Ausbildung schlechte und minderqualifizierte Lehrkräfte gibt und dass in Berlin mittlerweile ein Drittel der Lehrkräfte, die im Schuldienst arbeiten, keine Ausbildung als Lehrkräfte haben. Zudem kenne ich zahlreiche Theater-PädagogInnen, die ich für erheblich qualifizierter halte als so manche ausgebildete Theater-Lehrkraft in allgemeinbildenden Schulen. So zu „argumentieren“ ginge aber an einem redlichen Diskurs schlichtweg vorbei. Soll hier nur so mal nebenbei gesagt sein, um sich gegen „rhetorische Tricks“ zu verwahren, dem Diskurspartner mal eben schnell etwas zu unterstellen bzw. ihn bewusst misszuverstehen oder mit Allgemeinplätzen und Vorurteilen zu hantieren, um dann um so heftiger auf das und denjenigen einzuprügeln, was derjenige gar nicht (so) gesagt hat. Trumpismus lässt grüßen.
Immer wieder stößt man in zumeist theaterpädagogischer, aber auch wissenschaftlicher Literatur auf heftige Abwehrreaktionen, wenn es um die Gestaltung von systematisch/systemisch-methodischen Lernprozessen beim Erwerb von theatralen Grundlagenkompetenzen geht, als ob man es hier mit regelrechtem Teufelszeug zu hätte, das in der Kunst nichts zu suchen hat. Diese Berührungsängste mit den Grundlagen von Lernen und einfühlsamer Pädagogik resultierten vermutlich zumeist aus Unkenntnis und Inkompetenz, da die sich auf diese Weise äußernden Menschen selten über umfangreiche Primärerfahrungen im Unterrichten verfügen. Sie reden über Dinge, von denen sie zumeist nur theoretisch erfahren haben, selten selbst gestalterisch Erfahrung durch unterrichtliches Praxiswissen aufbauen konnten, also letztlich keine große Ahnung von schulischen Lernprozessen haben.
Die Lösung des Problems, wie Lehrende eine für ihre Arbeit erfolgreiche Haltung erwerben können, lautet, dass „erst didaktische Fragen und Konzepte […] zu klarer theaterpädagogischer Haltung, zu einem eigenen Profil“ führen. (11) Es wird offensichtlich, dass hier sehr undifferenziert mit wissenschaftlich bereits klar definierten Begriffen wie Haltung und Profil operiert wird, wenn angeblich ein „didaktisches Modell“ entscheidenden Einfluss auf die Haltung eines Menschen hinsichtlich seines Verhaltens in Lehr-Lern-Prozessen haben soll. In diesem Anspruch zeigt sich eine Verkennung der Realität und eine Ignoranz gegenüber der Wissenschaftsgeschichte spätestens seit dem „Positivismusstreit in der Soziologie“, Adornos „Studien zum autoritären Charakter“ Marcuses „Der eindimensionale Mensch“ usw.
Es ist ja nichts dagegen einzuwenden, für Lehr-Lern-Prozess eine ausgearbeitete Didaktik zu fordern. Im Gegenteil. Eine gut begründete Didaktik ist eine hilfreiche Voraussetzung für die Initiierung und Gestaltung erfolgreicher Lernsetting und Lernprozesse, auch wenn diese sicherlich zumeist nicht zu Haltungsänderungen führen werden. Aber das Problem ist ja hinlänglich beschrieben (z.B. Hattie[3], Burow[4] und umfangreiches Erfahrungswissen von Lehrkräften in Lehr-Lern-Prozessen).
Meyer hatte bereits 2014 mit ihrem Buch „Spielen, Darstellen, Gestalten – Ein Theater-Mach-Buch für Einsteiger“ den Anspruch erhoben, ein Angebot für Theater-Unterricht zu machen und schon dort nicht eingelöst, da die wesentlichen Bezüge zu schulischem Theater-Unterricht fehlten > Rezension.
Auch die Literaturliste der vorgelegten Didaktik für Theater verrät, dass nicht ein einziges Werk, das sich ernsthaft mit Theaterunterricht in der Schule in den letzten 10 Jahren beschäftigt, wahrgenommen wurde. Es ist zu fragen, inwieweit dann Versuche die Kluft zwischen Theater-Pädagogen und Theater-Lehrkräften zu überwinden, wie sie 2017 bei der ersten gemeinsamen Tagung der beiden Verbände der beiden Gruppen – des Bundesverbandes Theater in Schulen (BVTS) und des Bundesverbandes Theaterpädagogik (BuT) vom 24.-26.11.2017 in Frankfurt/M – gestartet wurden, überhaupt eine Chance haben, wenn die neuste Literatur, die vorgibt, explizit Auskunft zu geben über Methodik und Didaktik, die Entwicklung mindestens der letzten 10 Jahre missachtet. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass alle drei Autoren laut der Beschreibung ihres beruflichen Werdeganges keine schulischen Expertisen besitzen, weder Theater-Lehrkräfte sind noch regulären Theater-Unterricht erteilen. Zumindest findet die 30-jährige Geschichte des Faches Theater/ Darstellendes Spiel, geltende Curricula und deren Entwicklung und didaktische Belange und Anforderungen an schulischen Unterricht keine nennenswerte Beachtung in ihrem Werk.
Fazit:
Die Arbeit der Autoren zeichnet sich durch einige Besonderheiten und Auffälligkeiten aus, womit sie sich teilweise deutlich von Publikationen unterscheidet, die sich dem gleichen Thema zuwenden. Dem Team gelingt es, den komplexen Prozess theaterpädagogischen Arbeitens angemessen zu beschreiben. Ob es dazu eines sog. systemischen Ansatzes bedurfte, sei dahingestellt. Ihre Ausführungen bauen auf der hinlänglich belegten Erkenntnis auf, dass die Haltung, das Profil und die Kompetenz eines Lehrenden entscheidenden Einfluss auf einen Lernprozess haben. Dies impliziert, dass der Lehrende Zugriff auf ein umfassendes Methodenrepertoire hat, welches er situationsangemessen einsetzen kann, um für seine Schüler angemessene Lernsettings zu kreieren.
Das Team stellt gemäß der schon in der Sprache zum Ausdruck kommenden Schwerpunktsetzung (Theater-PÄDAGOGE; Grundwort: Pädagoge – Bestimmungswort: Theater) das Pädagogische in der Fokus seiner Beschreibungen und beruft sich dabei auch auf Wolf: „‘Theater ist in diesem Zusammenhang das Motiv und das Ziel des gemeinsamen Tuns, die Pädagogik bahnt den Weg, um gemeinsam in den schöpferischen Prozess einsteigen zu können.‘ (Wolf 2018).“ (97) Die Autoren unterliegen nicht der Versuchung, aus dem interdependenten Bedingungsgefüge theaterpädagogischer Arbeit Einzelelemente herauszubrechen und diese gegeneinander zu stellen, wie es vielfach leider zu lesen ist, wenn z.B. der Vorwurf des „praktizistischen“ Methodenfetischismus erhoben wird. Für die Autoren „gehört ein fundiertes pädagogisches und künstlerisches Handwerkszeug[!] ebenso zur Grundausrüstung wie menschliche Empathie und Resonanz für deine eigenen und für die Bedürfnisse der Teilnehmenden.“ (97) In zehn Punkten fassen die Autoren ihre Erkenntnisessenz zusammen, wie sie u.a. in entsprechenden Tutorials bereits 2014 differenzierter entfaltet sind und auf beispielhafte Lernsettings in theaterpädagogischen Prozessen bezogen und konkretisiert sind > https://angewandte-theaterforschung.de/unterrichtsmaterial-archiv/kursbuch-theater-machen-mittelstufe-archiv/. Schade, dass eine argumentative Auseinandersetzung hiermit nicht stattfindet.
Zur Erinnerung: Die zentralen Ausgangsfragen lauten: Ist die vorgelegte Didaktik hilfreich für Theater-Lehrkräfte? Haben die Autoren ihren eigenen Anspruch erfüllt und systemisch gedacht und nach der Wiederholung der längst bekannten und durchaus richtigen Feststellung, dass die Haltung und das Profil einer Lehrkraft die entscheidende und grundlegende Einflussgröße in einem wirkungsvollen Lernprozess ist? Haben sie die Elemente des komplexen Geflechtes der weiteren Einflussgrößen in einem theatralen Lernprozess systemisch betrachtet und in Beziehung zueinander gesetzt?
Welche Lösungen haben sie entwickelt und vorgestellt, wie (also mit welchen Methoden) im(!) Rahmen der Persönlichkeiten der am Lernprozess Beteiligten erreicht werden soll, dass sie ihre Haltung und ihr Profil, also auch ihre Persönlichkeitsmerkmale soweit verändern, dass sie einer Lehrkraft entsprechen, die die anzustrebenden „Erwartungshorizonte“, „Ziele“ erreicht und diese überprüfbar sind?[5]
Alle Fragen könnte ich mit nein, teilweise, ja, aber … beantworten. Das macht aber nichts. Warum? Die Autoren haben trotz aller hier vorgetragenen Kritik und Unzulänglichkeiten ihres Werkes, mit ihrem Versuch (im Sinne ihres Trial & error-Verständnisses) den Diskurs um die Weiterentwicklung der Theaterpädagogik – und auch am Rande um einen angemessenen schulischen Theater-Unterricht – angeschoben, und zwar hilfreicher für Theater-Lehrkräfte als so manches Werk aus der Wissenschafts- oder Künstlerszene der Theaterpädagogik (vgl. Weiterführendes) beispielsweise und durchaus in die richtige Richtung, weg von teilweise aufgeblasener Wortkunst, die sich mit theorieschäumender Bugwelle als Wissenschaft ausgibt und weg von teilweise fantasiereichem Wortgeklingel, welches pseudoerklärende Sprechkunst an die Stelle von Theaterkunst setzt.
Großes Lob den Autoren für ihr Wagnis, aus den Theorien des Theatralen, des Pädagogischen, des Systemischen usw. (und deren Widersprüchlichkeiten) heraus, die ja nur Annahmen über Wirklichkeit sind, so konkret zu werden bis hin zu Übungsbeschreibungen (methodisch und sprachlich präzise erläutert), das daraus bei entsprechend gut ausgebildeten Theater-Lehrenden mit entsprechender Haltung und entsprechendem Profil entsprechend guter Theater-Unterricht werden kann. Das Desiderat lautet: „entsprechend“.
Anregungen z.B. als Schülerarbeitsbücher[6] und entsprechende theoretische Reflektionen dazu gibt es ja bereits teilweise seit vielen Jahren. Die drei Autoren haben dies ignoriert und sagen es halt nochmal, auf ihre Weise: „Als Theaterpädagoge bist du in diesem Kontext dazu aufgerufen, möglichst reichhaltige, multimodale, interessante und kommunikationsorientierte Möglichkeiten und Räume zu schaffen, welche die subjektiven Erfahrungsbereiche der Teilnehmenden ansprechen. […] Ganz im Sinne einer künstlerischen, theatralen Gestaltung bzw. eines Pädagogikverständnisses, welches Erfahrung- und Spielräume schafft, ist das Lernen hier also als ein Prozess der Selbstorganisation von Wissen zu verstehen.“ Ja, dem ist vorbehaltlos zuzustimmen, das ist der Schlüssel zum Reich erfolgreichen Lernens: Die Kreation von Lernsetting von kompetenten Lehrkräften (vgl. u.a. List 2018: Tutorial zum Buch „Die Kunst Theater zu lehren – Didaktik für Theater und Darstellendes Spiel“). Aber: „Es gibt kein Patentrezept […].“ (47 und 66)
Die entscheidenden Fragen wären nun zu beantworten: Was sollten Aus- und Weiterbildner von Theater-Lehrkräften und -Pädagogen tun, um ihre Schüler, angehende Theater-Lehrkräfte, entsprechend zu qualifizieren? Wer qualifiziert die Aus- und Weiterbildner? Und was sollten aus- und weiterbildungswillige Schüler und angehende Theater-Lehrkräfte tun, um die notwendigen Qualifikationen in Form einer entsprechenden Haltung und Kompetenzen zu erwerben? (94)
Informationen über die Autoren auf der Website des Verlages:
„Sandra Anklam leitet den Fachbereich Theater und Systemische Theaterpädagogik an der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW. Sie ist Diplom-Pädagogin, Theaterpädagogin (BuT), Drama- und Theatertherapeutin (DGfT), Systemische Supervisorin (DGSF), Heilpraktikerin (Psychotherapie) sowie Gestaltberaterin und Tanztherapeutin. Als Theaterpädagogin und Regisseurin realisiert sie Projekte und Inszenierungen u.a. am Schauspielhaus Bochum sowie bei den Duisburger Akzenten und bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen.
Verena Meyer ist freiberufliche Autorin, Künstlerin und Theatermacherin. Sie ist Theaterwissenschaftlerin M.A., Theaterpädagogin (BuT) und Theatertherapeutin (DGfT). Zudem hat sie den Studiengang „Literarisches Schreiben“ als Diplom-Schriftstellerin abgeschlossen. Lange Jahre war sie als Theaterpädagogin am Theater, als Vorstandsmitglied im Bundesverband Theaterpädagogik sowie als Dozentin in der Ausbildung von Theaterpädagogen tätig. Zurzeit widmet sie sich dem Schreiben von Theaterstücken mit Uraufführungen am Jungen Schauspiel Bochum, den Duisburger Akzenten und dem Theater Düren.
Dr. Thomas Reyer ist Fachbereichsleiter und Dozent für Sozialpsychologie und Beratung an der Akademie der Kulturellen Bildung in Remscheid. Dort unterrichtet er als Systemischer Lehrtherapeut (DGSF) und Organisationspsychologe u.a. Systemische Beratung mit aktionsorientierten und kreativen Methoden, systemische Führung sowie künstlerisch-systemische Therapie. Er promovierte mit einer umfangreichen empirischen Studie zu Unterrichtsstrukturen und Unterrichtsmethoden in der Didaktik der Naturwissenschaften.“ (https://www.friedrich-verlag.de/shop/didaktik-und-methodik-in-der-theaterpadagogik; gelesen am 03.11.2018)
Wie zu erkennen ist, verfügen die Autoren offenbar über keine Expertisen zum schulischen Theater-Unterricht.
[1]Das „Anliegen“ des Autorenteams sei hier vollständig wiedergegeben, damit sich der Leser selbst eine Meinung bilden kann, ob das oberste Kriterium der Autoren geeignet ist, ihren formulierten Ansprüchen und denen einer hilfreichen Didaktik für Theater gerecht zu werden: „Unser Anliegen ist es, unsere Ausführungen so unkompliziert und praxisorientiert wie möglich zu gestalten, um Lust an der Auseinandersetzung und am Ausprobieren zu wecken. Dennoch kommen wir nicht umhin, manche Sachverhalte in vielleicht kompliziert erscheinender Art und Weise zu schildern. Das liegt zum einen sicher daran, dass das Schriftsteller*innen-Trio aus unterschiedlichen Perspektiven heraus auf den Gegenstand schaut. Zum anderen liegt es daran, dass die Themen, die wir hier verhandeln und in Zusammenhänge setzen, komplexe Wechselbeziehungen eingehen, denen wir versuchen, gerecht zu werden. Unserer Einladung lautet: Nimm, was dir schmeckt, lass liegen, was dir nicht schmeckt, und koste zwischendurch auch mal etwas vom Buffet, das dir im ersten Augenblick vielleicht nicht schmackhaft erscheint und lass den Geschmack sich einmal entfalten.“ (13)
[2]Irritierenderweise wird später aber auch von einem „Herausforderungscharakter“ in Lernprozessen gesprochen. (36) Ähnlich sei hier auch auf das nicht geklärte Verhältnis nicht nur der Autoren dieser Publikation von Bewertungen in künstlerischen Prozessen hingewiesen. Zum einen wird das Bewerten abgelehnt, aber gleichzeitig vielfach selbst bewertet (auffällig z.B. in dem Werk des Theaterlehrkraft-Ausbilders Hruschka: 2016; vgl. auch: List: 2017a und List 2017b). Im Übrigen stehen die geforderte Verantwortungsübernahme durch Lernende (42) im direkten, systemischen Verhältnis zu einer Bewertungskompetenz (vgl. auch List 2018a: 174-182). Das Bewerten-Können ist eine Grundvoraussetzung für Verantwortungsübernahme.
Derlei Widersprüche, Ungereimtheiten und Begriffsverwirrungen schmälern leider die Aussagekraft der zumeist plausiblen und auch stringenten Gedankenführung der Autoren, die auch immer wieder im Verlaufe ihres Exkurses sehr einfühlsam und direkt die richtigen und zielführenden Fragen an den Prozess und die Beteiligten stellen.
[3]Terhart, Ewald (Hg) 2014: Die Hattie-Studie in der Diskussion: Probleme sichtbar machen. Seelze: Kallmeyer/ Friedrich Verlag. 165 Seiten > Rezension
[4]Burow, Olaf-Axel 2001: Nicht die Methode, sondern die Haltung der Moderatorinnen ist entscheidend. Antwortmail auf Anfrage an die Austauschgruppe „Schneller Wandel“ vom 16.01.2001; vgl auch > http://www.olaf-axel-burow.de; Burow, Olaf-Axel 2000: Ich bin gut – wir sind besser. Erfolgsmodelle kreativer Gruppen. Stuttgart: Klett-Cotta
[5]Ungeklärt steht Widersprüchliches nebeneinander: „Du definierst ein klares Ziel.“ (40) und „Ziele, Inhalte und Wege nicht vorgeben“ (60). Der Verweis auf das Rhizom trägt in diesem Fall zu keiner Stringenz in der Gedankenführung bei, sondern eher zur Umgehung.
[6]Vgl. List: Was ist Theater-Unterricht bzw. Unterricht im Fach Darstellendes Spiel? > https://angewandte-theaterforschung.de/unterrichtsmaterial-fuer-darstellendes-spiel/
Weiterführendes
Aktuell gibt es nur wenige Publikationen, die beanspruchen, eine Didaktik vorzulegen, bzw. versuchen, explizit zentrale didaktische Fragen zu beantworten, z.B.:
- Anklam, S./ Meyer, V./ Reyer, T. 2018: Didaktik und Methodik in der Theaterpädagogik. Szenisch-Systemisch: Eine Frage der Haltung!? Seelze: Friedrich Verlag
- Denk, Rudolf/ Möbius, Thomas 2017; erste Auflage 2008: Dramen- und Theaterdidaktik. Didaktik für Theater und Darstellendes Spiel. Berlin: Erich Schmidt Verlag > Rezension
- Hilliger, Dorothea 2018: K_Eine Didaktik der performativen Künste. Theaterpädagogisch handeln im Framing von Risk, Rules, Reality und Rhythm. Berlin/ Milow/ Strasburg: Schibri > Rezension
- Hruschka, Ole 2016: Theater machen: Eine Einführung in die theaterpädagogische Praxis. Stuttgart: UTB > Rezension
- Klepacki, Leopold 2007: Die Ästhetik des Schultheaters. Pädagogische, theatrale und schulische Dimensionen einer eigenständigen Kunstform. Weinheim und München: Juventa > Rezension
- Klepacki, Leopold/ Zirfas, Jörg 2013: Theatrale Didaktik. Ein pädagogischer Grundriss des schulischen Theaterunterrichts. Weinheim: Beltz Juventa > Rezension
- Lange, Harald/ Sinning, Silke (Hg) 2014: Ästhetik und Leiblichkeit. Fachdidaktik und Themenkonstitution in ästhetisch-leiblichen Fächern und Lernbereichen. Hohengehren: Schneider Verlag > Rezension
- List, Volker 2018a: Die Kunst Theater zu lehren – Didaktik für Theater und Darstellendes Spiel. Hüttenberg: Angewandte Theaterforschung
- List, Volker 2018b: Tutorial zum Buch „Die Kunst Theater zu lehren – Didaktik für Theater und Darstellendes Spiel“ > https://angewandte-theaterforschung.de/tutorial-zum-buch-die-kunst-theater-zu-lehren-didaktik-fuer-theater-und-darstellende-spiel/
- List, Volker 2017a: Theater benoten? – Geht nicht! > https://angewandte-theaterforschung.de/theater-benoten-geht-nicht/
- List, Volker 2017b: Potenzialentfaltung im Theater-Unterricht > https://angewandte-theaterforschung.de/theaterunterricht-und-potenzialentfaltung/
- List, Volker 2017c: Erzähltheater. Theater und Darstellendes Spiel in der Praxis. Band 1. Hüttenberg: Angewandte Theaterforschung > https://angewandte-theaterforschung.de/shop/theater-und-darstellendes-spiel-in-der-praxis-band-1-erzaehltheater
- Nix, Christoph u.a. (Hg) 2012: Theaterpädagogik. Lektionen 5. Berlin: Theater der Zeit Verlag > Rezension
- Sack, Mira 2011: spielend denken. Theaterpädagogische Zugänge zur Dramaturgie des Probens. Bielfeld: transcript > Rezension
- Schaller, Raphael 2017: Einführung in die Theaterpädagogik an der Schule. Eine Auseinandersetzung mit Theorie und Praxis. Saarbrücken: AV AkademikerVerlag > Rezension
- Seitz, Martina 2015: Was soll das Theater? Ein theaterpädagogisches Konzept für die Grundschule. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren > Rezension
- Wiese, Hans-Joachim/ Günther, Michaela/ Ruping, Bernd 2006: Theatrales Lernen als philosophische Praxis in Schule und Freizeit. Band 1 Lingener Beiträge zur Theaterpädagogik. Uckerland: Schibri Verlag > Rezension
… und einige, die gedanklich um das Thema kreisen, selten nah bzw. Praxis nicht konkret als Annahmen über Wirklichkeit (Theorie) im Blick, zumeist eher fern, abgehoben und verloren in theoretischen Gedankenspielchen, und damit wenig oder gar nicht hilfreich für Theater-Lehrkräfte z.B.:
- Hentschel, Ulrike (Hg) 2016: Theater lehren. Didaktik probieren. Strasburg (Uckermark): Schibri > Rezension
- Hentschel, Ulrike 2010, erste Auflage 1995: Theaterspielen als ästhetische Bildung. Über einen Beitrag produktiven künstlerischen Gestaltens zur Selbstbildung. Uckerland: Schibri Verlag > Rezension
Siehe auch:
Hentschel, Ingrid/ Hippe, Lorenz u.a. (Hg) 2018: STOP SEPERATING! Theaterpädagogische Arbeit in schulischen und außerschulischen Bildungskontexten. Zeitschrift für Theaterpädagogik. Korrespondenzen. Heft 72. April 2018: Uckerland: Schibri
und
Primavesi, Patrick/ Deck, Jan (Hg) 2014 : Stop Teaching! Neue Theaterformen mit Kindern und Jugendlichen. Bielefeld: transcript
ab 06.03.2019 auch: Buchbesprechung: „Didaktik und Methodik in der Theaterpädagogik“ – Gregor Ruttner in seinem Podcast im Gespräch mit dem Autorenteam > https://viertewand.com/viertewand/show/vw042?fbclid=IwAR0a66pDvNBGVboTNfQn8R9Qqf2-FMnZV4vgPC0MVOaEZuXeDmO-wwXqnHE
Michael Kensy meint
Sehr geehrter Herr List,
mir ist nicht ganz klar, warum Sie in Ihrer Rezension zu „Didaktik und Methodik in der Theaterpädagogik“ immer wieder auf die fehlende „Expertise als Lehrkraft“ der Autoren rumreiten. Offenbar sind die Autoren keine Lehrer, aber wo ist das Problem? Praxiserprobte Autoren äußern sich zur Diktatik/Methodik theaterpädagogischer Arbeit, daher ist es doch eigentlich klar, dass sie dies eher aus dem Blickwinkeln eines Nicht-Lehrers tun. Genausowenig würde es Sinn machen, an Ihren Büchern (die ich übrigens sehr schätze) zu kritisieren, dass Sie diese zu sehr aus der Sicht eines Lehrers schreiben und dabei zuwenig die Situation von Theaterpädagogen, die am Theater arbeiten, berücksichtigen. Ich hab persönlich nur einen kleinen Einblick bezüglich der Arbeit von „Theaterlehrern“ an Schulen bekommen (dafür aber über einen Zeitraum von fast zwei Jahren). In dem Fall, den ich erlebt habe, wurden in einer Schule in NRW irgendwelche fachfremden Lehrer für das Fach abgestellt, die selbst noch nie wirklich auf einer Bühne standen. Einer war zumindest ausgebildete Musiklehrer, in einem Fall handelte es sich um eine Architektin, die über den Quereinstieg ins Lehramt gekommen war. Hier konnte ich in vielen Situationen, die ich miterlebt habe, als Nicht-Lehrer und Theaterpädagoge einfach nur den Kopf schütteln und meinte mitzubekommen, wie hier unter dem Deckmantel „Darstellendes Spiel“ den Schülern der Spaß am Theaterspiel systematisch verdorben wird. Aber natürlich wurden die Lehrpläne beachtet, die Schüler mussten die Unterrichtsinhalte regelmäßig protokollieren und am Ende des Quartals fanden kleine Prüfungen statt, bei denen die Schüler vorspielen mussten und bei denen sie dann benotet wurden. Natürlich… die praktizierenden Lehrkräfte hatten natürlich weder ihre Bücher noch die der Autoren besucht und hatten sich natürlich nicht als Theaterpädagogen weiterqualifiziert. Weitergebildet hat man sich, indem man bei anderen autodidaktisch geschulten Lehrkräften hospitiert hat oder mal einen theaterpädagogischen Tag am Stadttheater besucht hat.
Daher finde ich jeden Versuch, miteinander ins Gespräch zu kommen.
Viele Grüße Michhel Kensy
Volker List meint
Lieber Michhel Kensy,
herzlichen Dank für Ihr Feedback zu der Rezension des Buches „Didaktik und Methodik in der Theaterpädagogik“ von Anklam/ Meyer/ Reyer.
Zunächst einmal möchte ich klarstellen, dass ich nicht auf der fehlenden Expertise des Autorenteams ’herumreite‘, sondern die Autoren an ihrem eigenen explizit formulierten Anspruch messe, der da lautet: „Wir haben das Buch für Theaterschaffende und -lehrende geschrieben, für Lehrer*innen, die in der Schule Darstellendes Spiel unterrichten, …“ (10). Bei diesem Anspruch, explizit hilfreiches Material für Theater-Lehrkräfte an Schulen bereitstellen zu wollen, erwarte ich, dass die Autoren das Metier „Darstellendes Spiel in der Schule“ sorgfältig recherchiert haben. Dazu gehört selbstverständlich, die entsprechenden Lehrpläne und alle weiteren formalen und inhaltlichen Anforderungen von Schulunterricht im Fach Theater/ Darstellendes Spiel zu kennen und zielgerecht darauf einzugehen. Das leisten die Autoren des Buches nicht, wie übrigens zahlreiche andere Autoren mit dem gleichen Anspruch, siehe https://angewandte-theaterforschung.de/buchbesprechungen/.
Trotzdem habe ich eine Empfehlung ausgesprochen: „Um es gleich vorweg zu sagen, das Buch sei, trotz einiger begrifflicher Mängel und Inkohärenzen, insbesondere allen Aus- und Weiterbildnern sowohl im Bereich der Theaterpädagogik als auch im Bereich schulischen Theaterunterrichts wärmstens ans Herz gelegt.“ und sehr ausführlich begründet.
Genauso selbstverständlich schreibe ich primär aus dem Blickwinkel der Theater-Lehrkraft und explizit für Theater-Lehrkräfte (und nicht explizit für Theater-Pädagogen), denn nach meiner Erfahrung ist in der Kompetenzentwicklung von vielen auch aus- und weitergebildeten Theater-Lehrkräften noch viel Luft nach oben, um es mal vorsichtig auszudrücken.
Wenn Sie meine Beiträge lesen, dann müsste Ihnen aufgefallen sein, wie häufig ich auch betone, dass Theater-Pädagogen und Theater-Lehrkräfte viele Schnittstellen haben. Dass ich seit langem die Zusammenarbeit fördere, ist ebenfalls auf meiner Website dokumentiert. Dazu empfehle ich Ihnen die Beiträge https://angewandte-theaterforschung.de/modellhafte-zusammenarbeit-zwischen-theater-paedagogen-lehrkraeften-und-kuenstlern-im-saarland/, https://angewandte-theaterforschung.de/strategischer-reissverschluss-zusammenarbeit-von-theater-kuenstlern-paedagogen-und-lehrkraeften/.
Sie schreiben von ihren partikularen persönlichen Erfahrungen mit der Theaterarbeit an Schulen: „Ich hab persönlich nur einen kleinen Einblick bezüglich der Arbeit von „Theaterlehrern“ an Schulen bekommen (dafür aber über einen Zeitraum von fast zwei Jahren).“ Diese ausschnitthaften Erfahrungen haben Sie leider konfrontiert mit Inkompetenz, Dilettantismus und strukturellen bildungspolitischen Themen und Sachverhalten (keine ausreichende (Theater-)Lehrerversorgung undundund). Sie äußern Ihren Unmut zurecht. Ich könnte vielfach gleiches erzählen von inkompetenten Theater-Pädagogen. Bringt aber nichts.
Die Frage, die wir beantworten sollten, heißt: Wie sorgen wir für eine qualifizierte Ausbildung sowohl von TPs und TLs? Die beiden Gruppen sollten sich nicht gegenseitig Inkompetenz vorwerfen, das tun zu viele nach meinen Erfahrungen offensichtlich am liebsten. Die TLs hätten keine angemessene Ausbildung und keine ausreichende Ahnung von Theater und keine praktischen Erfahrungen bzw. Schauspielausbildung usw., und die TPs hätten keine Ahnung von Schulunterricht und von Leistungsüberprüfung und Notengebung usw. Das hilft nicht.
Stattdessen sollten die beiden Gruppen aufeinander zugehen und sich gegenseitig unterstützen. Aber das ist wohl aufgrund der jeweils vielfach gepflegten Vorurteile ein schwieriger Weg, siehe: https://angewandte-theaterforschung.de/stop-seperating-theaterpaedagogische-arbeit-in-schulischen-und-ausserschulischen-bildungskontexten/ und https://angewandte-theaterforschung.de/theater-paedagogen-und-theater-lehrkraefte-zwei-spezies/.
Vergleicht man das, was zurzeit auf dem Buchmarkt ist, das den Anspruch hat, eine Didaktik für Theater/ Darstellendes Spiel anzubieten, dann bietet sich ein ähnliches Bild: https://angewandte-theaterforschung.de/hentschel-2016-theater-lehren-didaktik-probieren/, https://angewandte-theaterforschung.de/hilliger-2018-keine-didaktik-der-performativen-kuenste/ und https://angewandte-theaterforschung.de/die-kunst-theater-zu-lehren-didaktik-fuer-theater-und-darstellendes-spiel-neuerscheinung/.
Gerne greife ich Ihr Angebot auf – by the way … wollen wir uns nicht duzen? miteinander ins Gespräch zu kommen. Lass uns doch auch mal telefonieren. Ich bin in den nächsten Tagen zumeist im Büro. Google zeigt mir übrigens unter „Michhel Kensy“ u.a. diese Website http://michaelkensy.de. Ist das deine? Sehr beeindruckend.
Liebe Grüße
Volker